Chronologie des Anwaltsrechts
2013
Statistisches
1. Allgemeines
Am 1.1.2013 sind in Deutschland 160.880 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zur Anwaltschaft zugelassen, was ein Wachstum von 1,6% im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Der Anteil der Rechtsanwältinnen an der Anwaltschaft ist um 0,5 Prozentpunkte auf 33,1% gestiegen und damit im internationalen Vergleich weiterhin sehr niedrig.
Die Zahl der von den Rechtsanwaltskammern verliehenen Fachanwaltstitel steigt zum Stichtag 1.1.2013 auf 46.823. Da ein Rechtsanwalt drei Fachanwaltstitel gleichzeitig führen darf, spiegelt diese Zahl nicht die tatsächliche Anzahl der Rechtsanwälte wider, die einen Fachanwaltstitel erworben haben. Sie liegt zum Stichtag bei 39.952, da 7.443 Rechtsanwälte über zwei Fachanwaltstitel und 461 Rechtsanwälte über drei Fachanwaltstitel verfügen. Auf drei der 20 Fachanwaltsgebiete - das Familienrecht, das Arbeitsrecht und das Steuerrecht – entfällt zu Beginn des Jahres 2013 fast die Hälfte aller verliehenen Fachanwaltstitel (49,7%). Die verliehenen Befugnisse verteilen sich wie folgt auf die Fachanwaltsgebiete: 9.425 Arbeitsrecht, 8.967 Familienrecht, 4.795 Steuerrecht, 3.210 Verkehrsrecht, 2.950 Miet- und Wohnungseigentumsrecht, 2.931 Strafrecht, 2.421 Bau- und Architektenrecht, 1.567 Sozialrecht, 1.473 Verwaltungsrecht, 1.446 Insolvenzrecht, 1.444 Erbrecht, 1.310 Medizinrecht, 1.211 Handels- und Gesellschaftsrecht, 1.122 Versicherungsrecht, 855 Gewerblicher Rechtsschutz, 354 IT-Recht, 226 Urheber- und Medienrecht, 166 Transport- und Speditionsrecht und 118 Agrarrecht.
2. Ausländische Rechtsanwälte in Deutschland
Die Zahl der unter ihrem Heimattitel in Deutschland niedergelassenen Rechtsanwälte aus Mitgliedsstaaten der EU bzw. der EFTA beträgt am 1.1.2013 474 (im Vergleich zu 2012 +52), die Zahl der Rechtsanwälte mit einer Niederlassung auf Grundlage der Garantien des GATS 267 (+9). Insgesamt sind damit 741 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte mit einem ausländischen Anwaltstitel in Deutschland niedergelassen, mehr als die Hälfte von ihnen in den Kammerbezirken Frankfurt (27,9%) und München (23,3%). Die meisten ausländischen Berufsqualifikationen stammen aus dem Vereinigten Königreich (109), gefolgt von Spanien (67), Italien (62) und Griechenland (61). Aus dem Staaten der EU/EFTA waren am Stichtag 1.1.2013 in Deutschland keine Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte mit einem Anwaltstitel aus Finnland, Island, Litauen, Malta, Norwegen, der Slowakischen Republik, Slowenien oder Zypern niedergelassen. Erstmals ließ sich hingegen 2013 ein lettischer Rechtsanwalt in Deutschland nieder.
Im abgelaufenen Jahr 2012 wurden in Deutschland 16 Eignungsprüfungsverfahren im Sinne von § 16 EuRAG, der Art. 14 Abs.3 Unterabs. 1 Richtlinie 2005/36/EG umsetzt, durchgeführt.
Gesetzgebung und Rechtspolitik
1. Allgemeines Berufsrecht
Im Bereich des Gesellschaftsrechts führt der Gesetzgeber mit der Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung (Part mbB) eine Spielart der seit rund 20 Jahren existierenden Partnerschaftsgesellschaft ein, die die Antwort auf das Vordingen der UK Limited Liability Partnership nach Deutschland sein soll. Für Berufsausübungsfehler haftet in einer PartG mbB keiner der Gesellschafter, wenn die Gesellschaft eine Berufshaftpflichtversicherung mit einer Deckungssumme von mind. 2,5 Mio. EUR unterhält. Anders als in UK LLP bleibt die Haftung aller Gesellschafter für sonstige Verbindlichkeiten der Gesellschaft wie Mieten oder Gehälter unberührt, privilegiert ist nur die Haftung wegen Ansprüchen aus Anwaltshaftung. Bereits wenige Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes am 19. Juli 2013 hatten sich einige Hundert Rechtsanwaltskanzleien der neuen Rechtsform, die allen Freien Berufen zur Verfügung steht, bedient, vor allem große und mittelgroße wirtschaftsberatende Kanzleien (Gesetz zur Einführung einer Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung vom 15.07.2013 BGBl. I S. 2386 (Nr. 38)).
Ein für große Aufmerksamkeit sorgendes Gesetzgebungsprojekt ist das 2013 verabschiedete
„Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten“. Durch dieses Reformgesetz soll die Berufsausübung der Rechtsanwälte an die Anforderungen des digitalen Zeitalters angepasst werden. Das Gesetz schafft neben der grundsätzlichen Pflicht, künftig mit den Gerichten ausschließlich elektronisch zu kommunizieren, für Rechtsanwälte zwei zentrale Neuerungen: Künftig verfügt jeder Rechtsanwalt nach § 31a BRAO über ein elektronisches Anwaltspostfach, über das seine Kommunikation mit den Gerichten und Behörden abgewickelt wird. Mit der Bereitstellung der hierfür notwendigen technischen Infrastruktur ist vom Gesetzgeber die Bundesrechtsanwaltskammer beauftragt. Im Zuge der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs wird zudem das anwaltliche Empfangsbekenntnis in Papierform abgeschafft. Auf einem Empfangsbekenntnis bestätigt der Rechtsanwalt förmlich den Erhalt ihm zugestellter Schriftstücke. Künftig ist ein Empfangsbekenntnis elektronisch zu erteilen. Von seinem ursprünglichen Plan, dass ein solches Empfangsbekenntnis automatisch generiert wird, wenn ein Schriftstück im elektronischen Anwaltspostfach eingeht, ist der Gesetzgeber aufgrund Widerstands aus der Anwaltschaft im Gesetzgebungsverfahren abgerückt. Auch künftig ist eine aktive Kenntnisnahme eines zugestellten Schriftstücks durch den Rechtsanwalt notwendig. Aufgrund der erheblichen technischen Anforderungen, die der elektronische Rechtsverkehr für Gerichte und Anwaltskanzleien mit sich bringt, werden seine einzelnen Elemente in mehreren Stufen zwischen 2016 und 2022 in Kraft treten (Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013, BGBl. I S. 3786 (Nr. 62)).
Vom Bundestag 2013 verabschiedet wird auch das 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz, das am 1. August 2013 in Kraft tritt. Es löst insbesondere die für Notare maßgebliche Kostenordnung (KostO) durch ein neues Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG) ab. Für Rechtsanwälte bringt das Gesetz primär eine Erhöhung der gesetzlichen Gebühren nach Maßgabe des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG). Diese Gebühren sind stets maßgeblich, wenn Rechtsanwalt und Mandant keine individuelle Vergütungsvereinbarung treffen oder zwischen Parteien Kosten erstattet werden müssen. Die Vergütung der Rechtsanwälte war zuvor letztmalig mit In krafttreten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes am 1. Juli 2004 an die wirtschaftliche Entwicklung angepasst worden, so dass sich Klagen der Anwälte gehäuft hatten, dass sich die Einkommensentwicklung von dieser zunehmend abgekoppelt habe. Aufgrund des Verzichts auf eine Gebührenerhöhung für ein Jahrzehnt ist die Zielvorgabe des Bundesjustizministeriums, die Anwaltsgebühren im Vergleich zum Jahr 2004 im Schnitt um 19 % zu erhöhen. Insbesondere im Bereich der Gebühren für geringwertige Streitigkeiten, die beiden den Rechtsanwälten den Großteil der Mandate ausmachen, wird diese Zielvorgabe allerdings zum Teil deutlich verfehlt. Neben dieser generellen Anhebung der Gebühren finden sich Neuregelungen, die die allgemein als unzulänglich erachtete Vergütung von Rechtsanwälten in sozial- und asylverfahrensrechtlichen Angelegenheiten verbessern und eine zusätzliche Vergütung bei besonders aufwändigen Beweisaufnahmen gewährleisten. Erstmals eingeführt werden Vergütungsregeln für eine anwaltliche Tätigkeit vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ((2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 23.07.2013, BGBl. I S. 2586 (Nr. 42).
Für große Verärgerung sorgen in der Anwaltschaft vom Gesetzgeber 2013 verabschiedete neue Darlegungs- und Informationspflichten, die Rechtsanwälte künftig bei der Forderungseintreibung gegenüber Privatpersonen zu beachten haben. Der Gesetzgeber sieht sich zu ihrer Verabschiedung veranlasst, weil sich Beschwerden von Verbraucherorganisationen und Bürgern über die Praktiken von gewerblichen Inkassounternehmen gehäuft hatten, die neben Rechtsanwälten für Gläubiger Forderungen bei säumigen Schuldnern beitreiben können. Die mit Blick auf diese Inkassounternehmen geschaffenen verbraucherschützenden Neuregelungen sind inhaltsgleich in einem neuen § 43d BRAO auch zu anwaltlichen Berufspflichten gemacht worden. Ab dem 1.11.2014 müssen Rechtsanwälte bei der Forderungsbeitreibung unaufgefordert u.a. detaillierte Angaben zu Art, Höhe und Entstehung der beanspruchten Hauptforderung, der Zinsen und der Kosten machen und auf Verlangen des Schuldners die wesentlichen Umstände des Vertragsschlusses mitzuteilen. Diese Pflicht ist berufsrechtlicher, nicht zivilrechtlicher Natur, so dass ihre Verletzung Sanktionen der Rechtsanwaltskammern oder Anwaltsgerichte auslösen kann (Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken vom 01.10.2013, BGBl. I S. 3714 (Nr. 59)).
Im Zuge der Reform des Rechts der Prozesskosten- und Beratungshilfe schafft der Gesetzgeber erstmals die lange vermisste rechtliche Klarheit über die berufsrechtliche Zulässigkeit der anwaltlichen pro bono-Tätigkeit. Durch eine Regelung im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (§ 4 Abs. 1 S. 2 RVG) wird klargestellt, dass kein Verstoß gegen das grundsätzlich geltende Verbot des Vergütungsverzichts (§ 49b Abs. 1 BRAO) vorliegt, wenn ein Rechtsanwalt gegenüber einem Rechtsuchenden, der aufgrund seiner Vermögens- und Einkommensverhältnisse staatlich finanzierte Beratungshilfe erhalten könnte, auf seine Vergütung verzichtet. Da Beratungshilfeberechtigungen von den Amtsgerichten nur gewährt werden, wenn für den Rechtsuchenden eine anderweitige Beratungsmöglichkeit nicht besteht, wird auf Drängen der Anwaltshaft in § 1 Abs. 2 S. 2 BerHG gesetzlich geregelt, dass ein anwaltliches Tätigwerden pro bono keine solche andere Beratungsmöglichkeit ist. Ein weiteres für Rechtsanwälte wichtiges Detail der Reform der staatlichen Kostenhilfe ist, dass Bürger außergerichtliche Beratungshilfe künftig in allen Rechtsangelegenheiten erhalten können, wenngleich mit dieser Änderung einhergeht, dass Beratungshilfe nunmehr nicht ausschließlich von Rechtsanwälten sondern z.B. auch – im Rahmen ihrer gesetzlichen Rechtsdienstleistungsbefugnisse - von Steuerberatern erbracht werden kann (Gesetz zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts vom 31.08.2013, BGBl. I S. 3533 (Nr. 55)).
Die Satzungsversammlung, das „Parlament der Anwaltschaft“, kreiert im Juli 2013 erstmals seit 2008 wieder eine neue Fachanwaltschaft. Künftig können Rechtsanwälte durch den Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse und praktischer Erfahrungen auf diesem Rechtsgebiet den Titel eines Fachanwalts für Internationales Wirtschaftsrecht erwerben. Damit stehen der Rechtsanwaltschaft insgesamt 21 Fachanwaltsgebiete zur Verfügung, in denen sie sich spezialisieren können (Beschluss der Satzungsversammlung vom 6./7. Juli 2013, BRAK-Mitt. 2014, #).
Erhöht wird von der Satzungsversammlung die Fortbildungsverpflichtung für Fachanwälte, die diese erfüllen müssen, um den Fachanwaltstitel nach dem Titelerwerb dauerhaft führen zu dürfen: Künftig müssen Fachanwälte sich auf dem Gebiet ihrer Fachanwaltschaft jährlich in einem Umfang von mindestens 15 – und nicht mehr wie zuvor 10 – Zeitstunden durch den Besuch von Fortbildungsveranstaltungen fortbilden. Die neuen Anforderungen gelten ab dem 1.1.2015. Keine sanktionierte Fortbildungspflicht existiert nach wie vor für Rechtsanwälte ohne Fachanwaltstitel (Beschluss der Satzungsversammlung vom 6./7. Juli 2013, BRAK-Mitt. 2014, #).
2. Grenzüberschreitende Tätigkeit
Von der Satzungsversammlung wird 2013 das Verhältnis von CCBE-Regeln und der Berufsordnung bei einer grenzüberschreitenden Tätigkeit von Rechtsanwälten neu geregelt. In einem nun aufgehobenen § 29 BORA wurde in der Vergangenheit für die grenzüberschreitende Tätigkeit pauschal auf die CCBE-Regeln verwiesen und lediglich ein Vorbehalt gemacht, dass bei abweichenden höherrangigen Rechtsvorschriften des europäischen oder nationalen Rechts diese vorrangig seien. Künftig enthält die Berufsordnung keinen solchen Verweis mehr und übernimmt lediglich den Regelungsinhalt jener CCBE-Regeln, die nach deutschem Verständnis keine Entsprechung im nationalen Berufsrecht haben und deshalb explizit ins nationale Recht transformiert werden müssen. Es sind dies die CCBE-Regeln 5.3. (Korrespondenz unter Rechtsanwälten) und 5.7. (Haftung für Honorarforderungen unter Kollegen). Ein neuer § 29a BORA setzt CCBE-Regel 5.3. um, stellt die nach der CCBE-Regel zu erteilende Zusage gegenüber dem ausländischen Rechtsanwalt allerdings unter den Vorbehalt einer Rücksprache mit seinem Mandanten. § 29b BORA regelt die Problematik der in CCBE-Regel 5.3. angesprochenen Honorarhaftung. Da diese nach deutschem Verständnis zivilrechtlicher Natur ist und die Satzungsversammlung in der Berufsordnung aus kompetenziellen Gründen keine zivilrechtlichen Haftungstatbestände schaffen kann, ist CCBE-Regel 5.3. in eine reine Informationspflicht umgestaltet worden. Demnach muss der Rechtsanwalt seinen ausländischen Kollegen informieren, wenn er die Haftung für dessen Honorarforderung nicht (d.h. auf der Basis einer individualvertraglichen Grundlage) übernehmen will (Beschluss der Satzungsversammlung vom 15. April 2013, BRAK-Mitt. 2013, #).
Durch den Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union besteht für kroatische Rechtsanwälte seit 2013 u.a. die Möglichkeit einer vorübergehenden Tätigkeit in Deutschland als dienstleistender europäischer Rechtsanwalt im Sinne der Richtlinie 77/249/EWG. Als für die Aufsicht über dienstleistende kroatische Rechtsanwälte im Sinne von Art. 7 Richtlinie 77/249/EWG zuständige Stelle hat der Gesetzgeber in § 32 EuRAG die Rechtsanwaltskammer Tübingen bestimmt.
2012
Statistisches
Am 1.1.2012 waren in Deutschland 158.426 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zur Anwaltschaft zugelassen, was ein Wachstum von 1,76% im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Der Anteil der Rechtsanwältinnen an der Anwaltschaft ist auf 32,56% gestiegen.
Die Zahl der unter ihrem Heimattitel in Deutschland niedergelassenen Rechtsanwälte aus Mitgliedsstaaten der EU bzw. der EFTA beträgt zum Stichtag 1.1.2011 insgesamt 422 (im Vergleich zu 2011 +34), die Zahl der Rechtsanwälte mit einer Niederlassung auf Grundlage der Garantien des GATS 258 (+34). Die meisten ausländischen Berufsqualifikationen stammen aus dem Vereinigten Königreich (106), gefolgt von Spanien (56) und Italien (54). Am Stichtag 1.1.2012 waren in Deutschland keine Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte mit einem Anwaltstitel aus Finnland, Island, Lettland, Litauen, Malta, Norwegen, der Slowakischen Republik, Slowenien oder Zypern niedergelassen.
Die Zahl der von den Rechtsanwaltskammern verliehenen Fachanwaltstitel ist zum Stichtag 1.1.2012 auf 44.340 gestiegen. Da ein Rechtsanwalt drei Fachanwaltstitel gleichzeitig führen darf, spiegelt diese Zahl nicht die tatsächliche Anzahl der Rechtsanwälte wider, die einen Fachanwaltstitel erworben haben. Obwohl mittlerweile 20 Fachanwaltsgebiete geschaffen worden sind, entfallen auf die zwei Fachanwaltsgebiete Familienrecht und Arbeitsrecht fast die Hälfte aller verliehenen Fachanwaltstitel (41%). Die verliehenen Befugnisse verteilen sich wie folgt auf die Fachanwaltsgebiete: 9.101 Arbeitsrecht, 8.716 Familienrecht, 4.728 Steuerrecht, 2.981 Verkehrsrecht, 2.755 Strafrecht, 2.726 Miet- und Wohnungseigentumsrecht, 2.310 Bau- und Architektenrecht, 1.456 Verwaltungsrecht, 1.453 Sozialrecht, 1.367 Insolvenzrecht, 1.320 Erbrecht, 1.182 Medizinrecht, 1.052 Versicherungsrecht, 1.033 Handels- und Gesellschaftsrecht, 773 Gewerblicher Rechtsschutz, 642 Banken- und Kapitalmarktrecht, 290 IT-Recht, 193 Urheber- und Medienrecht, 156 Transport- und Speditionsrecht und 106 Agrarrecht.
Gesetzgebung und Rechtspolitik
Mit Einführung des § 7a in die Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) werden erstmals einheitliche Ausbildungskriterien für die anwaltliche Mediatorentätigkeit geschaffen. Die Regelung legt sowohl die Ausbildungsinhalte (Erlernen der Arbeitstechniken des Mediators und das Recht des Mediationsverfahrens) als auch die Ausbildungsmethode (Einbindung von praktischen Ausbildungselementen wie zum Beispiel Rollenspiele) fest.
Die Bundesregierung legt am 2.5.2012 den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung und zur Änderung des Berufsrechts der Rechtsanwälte, Patentanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer vor. Die Partnerschaftsgesellschaft mit beschränkter Berufshaftung (PartGmbB) soll die anwaltliche Zusammenarbeit in größeren Berufsausübungsgesellschaften und interprofessionelle Kooperationen erleichtern, indem die hiermit verbundenen persönlichen Haftungsrisiken minimiert werden. Die neue Rechtsform ist als deutsche Alternative zur englischen Limited Liability Partnership (LLP) gedacht. Die Gesellschafter einer PartGmbB sollen für Fehler bei der Ausübung des Anwaltsberufs auch dann nicht mehr persönlich haften, wenn sie das fragliche Mandat bearbeitet haben. Dieses Haftungsprivileg wird aber nur gewährt, wenn die Partnerschaftsgesellschaft Versicherungsschutz von mindestens 2,5 Mio. EUR besitzt.
In der Berufspraxis erfolgt die Kommunikation zwischen Gerichten und Anwaltschaft überwiegend in Papierform, dagegen wird das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) kaum benutzt. Dies soll sich nunmehr ändern: Der Gesetzesentwurf zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten (FördEIRV) sieht vor, dass die Übermittlung unsignierter Dokumente mithilfe einer qualifizierten elektronischen Signatur zulässig sein soll (zum Beispiel durch De-Mail und EGVP). Ab 2022 soll die elektronische Übermittlung die Zustellung des Empfangsbekenntnisses ersetzen. Die Bundesrechtsanwaltskammer wies den Gesetzesentwurf zurück: Sie kritisierte die damit verbundenen Haftungs- und Kostenrisiken, die insbesondere Einzelanwälte stark treffen würden.
Rechtsprechung
Allgemeines Berufsrecht
Der Bundesgerichtshof entscheidet am 16.5.2012 (I ZR 74/11), dass Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte weder gemäß § 10 Absatz 1 BORA (Berufsordnung der Rechtsanwälte) noch nach § 5a Absatz 2 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) verpflichtet sind, auf ihrem Briefbogen sämtliche Standorte ihrer Kanzlei aufzuführen oder durch die Verwendung der Begriffe „Kanzlei“ und „Zweigstelle“ deutlich zu machen, an welchem Standort oder in welchem Kammerbezirk der Hauptsitz der Kanzlei angesiedelt ist.
In einer Entscheidung vom 17.8.2012 befasst sich das Bundesarbeitsgericht (5 AZR 406/10) mit der Unwirksamkeit von vorformulierten Standardklauseln in Arbeitsverträgen angestellter Rechtsanwälte, die die Pauschalvergütung bei Überstunden regeln. Das Bundesarbeitsgericht betonte zwar, dass entsprechende Regelungen dem in § 307 Absatz 1 Satz 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) geregelten Bestimmtheitsgebot genügen müssen. Für sog. Dienste höherer Art (z.B. als angestellter Rechtsanwalt) gebe es allerdings keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jede Mehrarbeit oder jede dienstliche Anwesenheit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten sei. Bei solchen Tätigkeiten sei es nach den Umständen nicht zu erwarten, dass Überstunden bezahlt würden (der betroffene Rechtsanwalt hatte auf Überstundenvergütung geklagt, nachdem er nicht wie in Aussicht gestellt zum Partner der ihn beschäftigenden Kanzlei gemacht worden war).
Das Oberlandesgericht Düsseldorf befasst sich in zwei kurz nacheinander ergehenden Entscheidungen mit der dem Rechtsanwalt von seinem Mandanten geschuldeten Vergütung: Am 18.10.2011 (I-24 U 50/10) entscheidet das Gericht, dass der Auftraggeber eines Rechtsanwalts den aus einem Anwaltsdienstvertrag entstandenen Vergütungsanspruch nicht wegen Mangelhaftigkeit der Dienstleistung mindern könne, da das Dienstvertragsrecht keine solche Form der Gewährleistung kenne. Ein vereinbarter Vergütungsanspruch werde folglich auch dann geschuldet, wenn die erbrachte Dienstleistung fehlerhaft erbracht worden sei. Am 27.06.2012 entscheidet das OLG Düsseldorf (I-24 U 193/10), dass ein anwaltlicher Honoraranspruch auch bei Kündigung des Anwaltsvertrages durch den Mandanten dann nicht mehr bestehe, wenn der Rechtsanwalt diese Kündigung in erheblicher Weise selbst zu verantworten hat, weil er das Mandant nur zögerlich und schleppend bearbeitet.
Mit Urteil vom 24.5.2012 (Az. K 4750/11) entscheidet das Verwaltungsgericht Köln, dass ein Rechtsanwalt, der der Auffassung ist, dass ein anderer Rechtsanwalt einen Berufspflichtverstoß begangen habe, die für die Verfolgung des behaupteten Pflichtverstoßes zuständige Rechtsanwaltskammer (RAK) nicht auf Vornahme einer Aufsichtsmaßnahme verklagen könne. Das Verwaltungsgericht Köln sieht eine solche Klage bereits als unzulässig an, weil die berufsrechtliche Aufsicht der RAK nur der Wahrung öffentlicher Interessen diene und Dritte – z.B. Kollegen eines Rechtsanwalts - daher durch unterbliebene Aufsichtsmaßnahmen nicht in eigenen Rechten verletzt sein können.
Grenzüberschreitende anwaltliche Tätigkeit
Der Bundesgerichtshof befasst sich in einem Beschluss vom 24.10.2012 (AnwZ(BrfG) 42/12) mit der Befreiung eines schwerpunktmäßig im Ausland (Paraguay) tätigen deutschen Rechtsanwalts von der Pflicht, (auch) in Deutschland eine Kanzlei zu unterhalten. Der Bundesgerichtshof weist darauf hin, dass eine solche Befreiung nicht deshalb unzulässig sei, weil der Rechtsanwalt weiterhin in geringem Umfang in Deutschland praktizieren wolle. Eine gelegentliche Tätigkeit in Deutschland sei auch ohne eine Kanzlei in Deutschland denkbar und zulässig. Wohl aber komme eine Befreiung dann nicht in Betracht, wenn die Aufgabe der deutschen Kanzlei die Verfolgung einer schwerwiegenden Pflichtverletzung oder die Durchsetzung von Ansprüchen gegen den Rechtsanwalt erheblich behindern würde. Da im konkret entschiedenen Fall die Rechtsanwaltskammer ein Verfahren auf Widerruf der Zulassung des betroffenen Rechtsanwalts betrieb und zudem das anwaltliche Versorgungswerk erhebliche rückständige Beitragsansprüche gegen den Rechtsanwalt geltend machte, komme eine Befreiung von der Kanzleipflicht unter solchen Umständen nicht in Betracht.
Das Amtsgericht Kehl entscheidet am 10.6.2012 (3 C 104/10), dass sich die Zuständigkeit deutscher Gerichte für Honorarklagen von ausländischen Rechtsanwälten gegen in Deutschland lebende Mandanten aus § 2 Absatz 1 EuGVVO (Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen) ergebe. Im entschiedenen Fall machte eine französische Anwaltskanzlei Honorarforderungen gegen einen deutschen Mandanten geltend. Das Gericht stellt fest, dass die im französischen Recht vorgesehenen besonderen Zuständigkeiten für Honorarstreitigkeiten kein „ausschließlicher Gerichtsstand“ im Sinne von Art. 22 EuGVVO seien.
Für die immer größere Zahl deutscher und ausländischer Rechtsanwälte, die im Ausland einen juristischen Masterabschluss erworben haben und die in Deutschland anwaltlich tätig sind, ist eine Entscheidung des Kammergerichts Berlin vom 22.2.2012 (Az. S U 51/11) von Bedeutung: Das Gericht entscheidet an diesem Tag, dass Anwälte durch die Verwendung des akademischen Grades „LL.M.“ nicht rechtswidrig handeln, wenn als weiterer Zusatz nur die Stadt aufgenommen wird, in der der Titel erworben wurde, und nicht zusätzlich auch das Wort „Universität“ verwendet werde: Die in Berlin ansässigen Beklagten hatten auf Briefkopf und Homepage ihrer Anwaltskanzlei ihre Namen um die Bezeichnung „LL.M. (Houston)“ und „LL.M. (Cape Town)“ ergänzt. Das Gericht betont, dass der Klammerzusatz nicht das Wort „University of“ enthalten müsse: Der im Ausland erworbene Hochschultitel dürfe grundsätzlich in der Form, in der er verliehen wurde, getragen werden, und es müsse zur Vermeidung einer Irreführung über die Herkunft des Titels nur die verleihende Stelle kenntlich gemacht werden. Der Durchschnittsverbraucher könne eine Ortsangabe mit der verleihenden Hochschule in Verbindung bringen.
2011
Rechtstatsächliches und Statistisches
Am 1.1.2011 sind in Deutschland 155.679 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zur Anwaltschaft zugelassen, was ein Wachstum von 1,58% im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Dies ist das geringste prozentuale Wachstum seit dem Jahr 1966 (wenngleich sich seit 1994 die absolute Zahl der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte mehr als verdoppelt hat). Der Anteil der Rechtsanwältinnen an der Anwaltschaft ist auf 32,04% gestiegen. Die Zahl der unter ihrem Heimattitel in Deutschland niedergelassenen Rechtsanwälte aus Mitgliedsstaaten der EU bzw. der EFTA beträgt insgesamt 388 (im Vergleich zu 2010 +37), die Zahl der Rechtsanwälte mit einer Niederlassung auf Grundlage der Garantien des GATS 224 (+11). Die meisten ausländischen Berufsqualifikationen stammen aus dem Vereinigten Königreich (106), gefolgt von Italien (58) und Spanien (48). Am Stichtag 1.1.201 waren in Deutschland keine Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte mit einem Anwaltstitel aus Finnland, Island, Lettland, Litauen, Malta, Norwegen, der Slowakischen Republik, Slowenien oder Zypern niedergelassen.
Die Zahl der von den Rechtsanwaltskammern verliehenen Fachanwaltstitel steigt zum Stichtag 1.1.2011 auf 41.569. Da ein Rechtsanwalt drei Fachanwaltstitel gleichzeitig führen darf, spiegelt diese Zahl nicht die tatsächliche Anzahl der Rechtsanwälte wider, die einen Fachanwaltstitel erworben haben. Obwohl mittlerweile 20 Fachanwaltsgebiete geschaffen worden sind, entfallen auf die zwei Fachanwaltsgebiete des Familienrechts und des Arbeitsrechts fast die Hälfte aller verliehenen Fachanwaltstitel (41%). Die verliehenen Befugnisse verteilen sich wie folgt auf die Fachanwaltsgebiete: 8.701 Arbeitsrecht, 8.373 Familienrecht, 4.615 Steuerrecht, 2.744 Verkehrsrecht, 2.596 Strafrecht, 2.441 Miet- und Wohnungseigentumsrecht, 2.163 Bau- und Architektenrecht, 1.416 Verwaltungsrecht, 1.346 Sozialrecht, 1.261 Insolvenzrecht, 1.205 Erbrecht, 1.052 Medizinrecht, 967 Versicherungsrecht, 891 Handels- und Gesellschaftsrecht, 652 Gewerblicher Rechtsschutz, 244 IT-Recht, 154 Urheber- und Medienrecht, 150 Transport- und Speditionsrecht und 83 Agrarrecht.
Gesetzgebung und Rechtspolitik
Am 1.3.2011 treten die Änderungen zur Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) hinsichtlich der Außendarstellung einer Anwaltskanzlei in Kraft. Aus Gründen der Firmenwahrheit und Firmenklarheit wird § 8 BORA dahingehend modifiziert, dass die Kundgabe einer gemeinschaftlichen Berufsausübung nur noch dann zulässig sein soll, wenn es sich bei den Berufsträgern um sozietätsfähige Personen im Sinne des § 59a Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) handelt. Andere Formen der beruflichen Zusammenarbeit sind erlaubt, soweit nicht der Eindruck einer gemeinschaftlichen Berufsausübung erweckt wird. Aus haftungsrechtlichen Gründen wird § 9 BORA dahingehend abgeändert, dass sich die Kurzbezeichnung einer Kanzlei in Zukunft sowohl auf sozietätsfähige Personen als auch auf Einzelanwälte, Bürogemeinschaften und andere Formen berufsrechtlicher Zusammenarbeit beziehen soll.
Nach Plänen eines Referentenentwurfs zu einem Zweiten Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (KostRMoG) vom 21.11.2011 soll es, neben der Einführung eines neuen Gerichts- und Notargesetzes sowie Justizverwaltungskostengesetzes, zu umfangreichen (strukturellen) Änderungen im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) kommen. Der Entwurf sieht in Artikel 8 eine lineare Anpassung der Rechtsanwaltsgebühren vor. Das Bundesjustizministerium beziffert das Gesamtvolumen der vorgeschlagenen Erhöhungen auf 11 Prozent. So soll zum Beispiel die Prozesskostenhilfetabelle stärker degressiv verlaufen, eine Regelung für Gebühren für Verfahren vor dem Europäischen Menschengerichtshof geschaffen werden, eine Einigungsgebühr für die Mitwirkung einer Ratenzahlungsvereinbarung eingeführt werden und eine Termingebühr bei Wahrnehmung von Anhörungsterminen anfallen.
Am 15.12.2011 verabschiedet der Bundestag das Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung (MediationsG). Zwecks Verbesserung der deutschen Streitkultur und zur Vermeidung von Rechtszersplitterungen wird die Mediation erstmals homogen durch Gesetz geregelt. Dabei bleibt die richterliche Streitschlichtung in Form eines Güterichters bestehen, der, anders als der Mediator, auch rechtliche Bewertungen vornehmen darf. Um die Integrität des Mediationsverfahrens zu gewährleisten, nimmt das MediationsG in §§ 3-5 Bezug zu anwaltsrechtlichen Regelwerken. In Anlehnung an die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) und Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) statuiert § 3 MediationsG Offenbarungspflichten und Tätigkeitsbeschränkungen, § 4 eine Verschwiegenheitspflicht und § 5 – auf vehementes Drängen der Bundesrechtsanwaltskammer - die Aus- und Fortbildung für den zertifizierten Mediator (Das Gesetz trat am 10.2.2012 in Kraft).
Zwecks erleichterter Integration ausländischer Fachkräfte verabschiedet das Bundeskabinett am 23.3.2011 einen Gesetzesentwurf zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen. In der Folge werden auch § 206 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) und §§ 1, 3 und 16 des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland (EuRAG) modifiziert. Nunmehr können sich Anwältinnen und Anwälte, die zwar mit einer EU-Berufsqualifikation in der EU praktizieren, aber Staatsangehörige eines Drittstaates sind, in Deutschland niederlassen (diese Änderungen trrten am 1.4.2012 in Kraft).
Durch die Fünfte Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des § 206 BRAO vom 30.4.2011 wird der Anwendungsbereich des § 206 BRAO erweitert. Diese Vorschrift behandelt die Niederlassungsfreiheit ausländischer Anwältinnen und Anwälte im Rahmen der GATS-Garantien. Das Bundesjustizministerium erkennt durch Verordnung ausländische Anwaltsberufe als dem deutschen Anwaltsberuf gleichwertig an. Angehörigen anerkannter ausländischer Anwaltsberufe ist es möglich, in Deutschland Mitglied einer Rechtsanwaltskammer zu werden und Mandanten im nationalen Recht ihres Herkunftsstaates und im internationalen Recht zu beraten. Zusätzlich zu den bisher anerkannten Anwaltsberufen aus 30 Staaten werden 2011 die Anwaltsberufe aus insgesamt 15 weiteren Staaten als dem deutschen Anwaltsberuf gleichwertig anerkannt: Ägypten („Muhami“), Chinesisch Taipei („Lü shi“), El Salvador („Abogado“), Indonesien („Advokat“), Marokko („Mohamin“), Moldau („Avocat“), Nigeria (Legal Practitioner“), Pakistan („Wakeel/Advocate“), den Philippinen („Attorney“), Sri Lanka („Attorney at law“), Thailand („Tanaaykwaam“) und Serbien („Advocat“). Die Sechste Verordnung vom 7.2.2012 umfasste zudem Anwaltsberufe aus Ecuador, Kolumbien und Peru (allesamt „Abogado“) (Die Verordnung trat am 14.2.2012 in Kraft).
Rechtsprechung
Der Bundesgerichtshof (BGH) entscheidet am 9.6.2011 (Az. I ZR 113/10), dass die Bezeichnung „zertifizierter Testamentvollstrecker“ von einem Rechtsanwalt verwendet werden kann, wenn er über die erforderlichen theoretischen und praktischen Kenntnisse in diesem Tätigkeitsfeld verfügt. Im konkreten Fall hatte ein Rechtsanwalt ein Zertifikat des „Testamentsvollstreckung und Vermögensvorsorge e.V.“ erworben. Dieser Verein stellt auf Antrag die Bescheinigung zum „Zertifizierten Testamentsvollstrecker“ aus, wenn der Antragssteller eine Teilnahme an diversen Leistungskontrollen und eine zweijährige Tätigkeit als Anwalt nachweisen kann. Nach Ansicht des BGH sprechen grundsätzlich keine berufsrechtlichen Einwände gegen die Bezeichnung als zertifizierter Testamentsvollstrecker, allerdings sei die Bezeichnung dann irreführend für das Rechtspublikum, wenn der Rechtsanwalt vor der Antragsstellung keine bzw. kaum praktische Erfahrung als Testamentsvollstrecker gesammelt habe.
Mit Urteil vom 18.7.2011 (Az. AnwZ (BrfG) 18/10) entscheidet der Bundesgerichtshof (BGH), dass das Betreiben eine Rechtsanwaltsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co.KG unzulässig ist. Die für die GmbH & Co. KG erforderliche Gründung einer Kommanditgesellschaft setze gemäß § 161 Abs. 1 Handelsgesetzbuch (HGB) den Betrieb eines Handelsgewerbes voraus, was mit dem anwaltlichen Berufsbild unvereinbar sei. Eine anwaltliche Berufsausübungsgesellschaft ziele auf die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten und siedele ihre Tätigkeit gerade nicht im gewerblichen Bereich an. Gegen ein solches Verständnis sprechen nach Ansicht des Gerichts auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Weder umfasse die in Art. 12 Abs. 1 GG verankerte Berufsfreiheit das Recht, einen nicht-gewerblichen Beruf wie den des Rechtsanwalts in jedweder Rechtsform auszuüben noch werde die GmbH & Co. KG nach Art. 3 Abs. 1 GG ungleich gegenüber anderen anwaltlichen Rechtsformen (GmbH, AG und Private Limited Company by Shares) behandelt, da diese – im Unterschied zur Kommanditgesellschaft – nicht zweckgebunden seien und keine gewerblichen Ziele verfolgten.
Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt in einer Entscheidung vom 10.10.2011 (Az. AnwZ (Brfg) 1/10), dass eine GmbH, bei der die Mehrheit der Geschäfts- und Stimmanteile bei Nicht-Anwälten liegt, nicht als Rechtsanwaltsgesellschaft zugelassen werden kann. Nach Ansicht des Gerichts müssen die maßgebenden Geschäftsführungsentscheidungen von Personen mit einer Anwaltsqualifikation getroffen werden, so dass die GmbH-Geschäftsführer überwiegend Rechtsanwälte sein müssen. Dieses Mehrheitserfordernis verstoße nicht gegen den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, da die Rechtsanwaltsgesellschaft selbst, im Unterschied zu anderen Rechtsformen, in denen Berufsausübungsgesellschaften verfasst sein können, zur Anwaltschaft zugelassen werde. Daher müsse sie von anwaltlichen Berufsträgern dominiert werden. Diese Rechtsprechung des BGH stößt in der Lehre zunehmend auf Kritik, da sie gleichberechtigte, interprofessionelle Zusammenschlüsse von Anwälten mit Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern in Form einer Rechtsanwaltsgesellschafts-GmbH verhindert.
In einer Entscheidung vom 30.3.2011 (Az. 2 U 569/10) befasst sich das OLG Jena mit der Kennzeichnung von Haupt- und Zweigstellen im Briefkopf einer Anwaltskanzlei. Der klagende Anwalt führte seine Kanzleistandorte im Briefkopf auf, ohne aber darauf hinzuweisen, bei welchem Standort es sich um eine Haupt- oder Zweigstelle handelte. Nach Ansicht des Gerichts seien der Hauptsitz und die Zweigstellen einer Kanzlei – im Einklang mit § 10 Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) – grundsätzlich als gleichwertig anzusehen, so dass sie als solche nicht kenntlich gemacht werden müssten.
Der Anwaltsgerichtshof Baden-Württemberg befasst sich in einer Entscheidung vom 20.10.2011 (Az. AGH 10/2011 (II)) mit den Auskunftspflichten einer Rechtsanwaltskammer gegneüber Mandanten. Um eine Schadensersatzforderung wegen anwaltlicher Falschberatung geltend machen zu können, hatte ein Mandant die Rechtsanwaltskammer gebeten, ihm Namen und Anschrift der Berufshaftpflichtversicherung seines Anwalts mitzuteilen. Die Kammer lehnte die Auskunftserteilung ab. Dagegen nahm das Gericht eine Pflicht zur Herausgabe der Versicherungsdaten gemäß § 51 Abs. 6 Satz 2 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) an. Wegen § 2 Abs. 1 Nr. 11 der Verordnung über Informationspflichten für Dienstleistungserbringer, die dem Anwalt vorschreibt, den Mandanten über seine Berufshaftpflichtversicherung zu informieren, sah das Gericht kein überwiegendes schutzwürdiges Interesse des Rechtsanwalts an der Nichterteilung der Auskunft.
In einer Entscheidung vom 7.2.2011 (Az. AnwZ (B) 20/10) stellt der Bundesgerichtshof (BGH) fest, dass eine Tätigkeit als Syndikus nicht zur Zulassung zur Anwaltschaft im Sinne des § 11 Abs. 1 des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland (EuRAG) ausreicht. Bei dem Kläger handelte es sich um einen österreichischen Staatsbürger, der als Europäischer Rechtsanwalt in die Anwaltskammer aufgenommen worden war und überwiegend Syndikustätigkeiten in einem Unternehmen ausübte. Nach Ansicht des Gerichts setze die Anwaltszulassung eine effiziente und permanente Anwaltstätigkeit auf dem Gebiet des deutschen Rechts voraus. Dagegen steht ein festes Dienst- oder Anstellungsverhältnis bei einem nicht-anwaltlichen Arbeitgeber – im Einklang mit § 46 BRAO - im Widerspruch zum anwaltlichen Berufsbild einer freien und unabhängigen Anwaltschaft. Diese Entscheidung verstoße nicht gegen die EU-Richtlinie 98/5/EG („Niederlassungsrichtlinie“), da sich die Zulassung zur Anwaltschaft in den einzelnen Mitgliedsstaaten immer nach dem maßgeblichen Anwaltsbild im Aufnahmestaat richte.
2010
I. Statistisches
Am 1.1.2010 sind in Deutschland 153.251 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zur Anwaltschaft zugelassen, ein Wachstum von 1,91 % im Vergleich zum Vorjahr. Dies ist das geringste prozentuale Wachstum seit dem Jahr 1966. In zwei der 27 regionalen Rechtsanwaltskammern (Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt) ist erstmals ein Rückgang der Anwaltszahlen zu verzeichnen. Der Anteil der Rechtsanwältinnen an der Anwaltschaft ist auf 31,6 % gestiegen.
Die Zahl der unter ihrem Heimattitel in Deutschland niedergelassenen Rechtsanwälte aus Mitgliedsstaaten der EU bzw. der EFTA beträgt 351 (im Vergleich zu 2009). Die meisten ausländischen Berufsqualifikationen registrierter europäischer Rechtsanwälte stammen aus dem Vereinigten Königreich (96), gefolgt von Italien (51), Spanien (50), Griechenland (36) und Frankreich (29). Am Stichtag 1.1.2010 sind in Deutschland keine Rechtsanwälte mit einem Anwaltstitel aus Finnland, Island, Lettland, Litauen, Malta, Norwegen, der Slowakischen Republik, Slowenien oder Zypern niedergelassen. Erstmals registriert war ein irländischer Rechtsanwalt, der sich im Bezirk der Rechtsanwaltskammer Köln niedergelassen hat. Weitere 213 ausländische Rechtsanwälte waren auf Grundlage der Garantien des GATS unter ihrem Heimattitel niedergelassen, davon 97 aus den USA und 43 aus der Türkei
Die Zahl der von den Rechtsanwaltskammern verliehenen Fachanwaltstitel ist zum Stichtag 1.1.2010 auf 38.745 gestiegen. Da ein Rechtsanwalt seit 2009 drei Fachanwaltstitel gleichzeitig führen darf, spiegelt diese Zahl nicht die tatsächliche Anzahl der Rechtsanwälte wider, die einen Fachanwaltstitel erworben haben. Obwohl mittlerweile 20 Fachanwaltsgebiete geschaffen worden sind, entfallen auf die drei Fachanwaltsgebiete des Familienrechts, des Arbeitsrechts und des Steuerrechts mehr als die Hälfte aller verliehenen Fachanwaltstitel (57 %). Die verliehenen Befugnisse verteilen sich wie folgt auf die Fachanwaltsgebiete: 8.368 Arbeitsrecht, 8.098 Familienrecht, 4.463 Steuerrecht, 2.414 Strafrecht, 2.420 Verkehrsrecht, 2.181 Miet- und Wohnungseigentumsrecht, 2.013 Bau- und Architektenrecht, 1.372 Verwaltungsrecht, 1.252 Sozialrecht, 1.147 Insolvenzrecht, 1.076 Erbrecht, 883 Versicherungsrecht, 916 Medizinrecht, 734 Handels- und Gesellschaftsrecht, 543 Gewerblicher Rechtsschutz, 190 IT-Recht, 134 Transport- und Speditionsrecht, 121 Urheber- und Medienrecht und 48 Agrarrecht.
Nach einer auf dem Anwaltstag 2010 vorgestellten empirischen Studie des Soldan Instituts für Anwaltmanagement erzielen Rechtsanwälte durch den Erwerb eines Fachanwaltstitels erhebliche zusätzliche Umsätze. Die entsprechenden Steigerungen liegen je nach Fachanwaltsgebiet im Durchschnitt zwischen 20 bis 60 %. Die höchsten Zuwächse erzielen Fachanwälte für Steuerrecht, die niedrigsten Zuwächse Fachanwälte für Miet- und Wohnungseigentumsrecht.
II. Gesetzgebung und Rechtspolitik
Am 22.12.2010 wird das Gesetz zur Stärkung des Schutzes von Vertrauensverhältnissen zu Rechtsanwälten im Strafprozessrecht verkündet. Durch eine Änderung des § 160a Strafprozessordnung (StPO) werden Rechtsanwälte bei heimlichen Ermittlungsmaßnahmen in gleicher Weise geschützt wie Geistliche und Abgeordnete. Das bisher geltende Recht sah ein Beweiserhebungsverbot und damit ein Abhörverbot nur bei Strafverteidigern vor, während "normale" Rechtsanwälte prinzipiell abgehört werden durften. Die Spitzenorganisationen der Anwaltschaft hatten seit langem kritisiert, dass eine Unterscheidung zwischen Strafverteidigern einerseits und "normalen" Rechtsanwälten andererseits schon deshalb nicht praktikabel sei, weil gerade in einem frühen Stadium heimlicher Ermittlungsmaßnahmen für die Polizei oft nicht erkennbar ist, ob ein Rechtsanwalt als Strafverteidiger oder in sonstiger Funktion als Rechtsanwalt tätig ist.
In Umsetzung der Richtlinie 2006/123/EG tritt am 18.5.2010 die auch für Rechtsanwälte maßgebliche Verordnung über Informationspflichten für Dienstleistungserbringer (DL-InfoV) in Kraft. Aufgrund dieser nicht anwaltsspezifischen Verordnung sind Rechtsanwälte künftig gehalten, vor Mandatserteilung dem (potentiellen) Mandanten bestimmte Informationen in klarer und verständlicher Form von sich aus oder auf Nachfrage zur Verfügung zu stellen. Der Rechtsanwalt muss unaufgefordert seinen Vor- und Familiennamen, die Kanzleiadresse einschließlich der Telekommunikationsdaten sowie Name und Anschrift der zuständigen Rechtsanwaltskammer und seiner Berufshaftpflichtversicherung anzugeben. Auf Nachfrage des Mandanten ist der Rechtsanwalt ferner verpflichtet, Angaben über die für ihn geltenden berufsrechtlichen Regelungen, seine berufliche Zusammenarbeit mit anderen Rechtsanwälten sowie über die Maßnahmen, die er ergriffen hat, um Interessenkollisionen zu vermeiden, zumachen. Die DL-InfoV sieht darüber hinaus verschiedene erforderliche Preisangaben vor. Die Spitzenorganisationen der Anwaltschaft kritisieren die pauschale Geltung der nicht berufsspezifischen DL-InfoV für Anwälte, da das anwaltliche Berufsrecht zahlreiche der in der Verordnung angesprochenen Fragen der Mandanteninformierung bereits auf Gesetzesebene – zum Teil inhaltsgleich, zum Teil abweichend – regele.
Das Jahr 2010 war von einem interessanten Streit über die Regelungskompetenz der Satzungsversammlung geprägt. Erstmals seit Schaffung der Satzungsversammlung als normgebendes Organ der Anwaltschaft durch den Gesetzgeber im Jahr 1994 klagte diese gegen die Aufhebung einer von ihr beschlossenen Vorschrift durch das Bundesjustizministerium. Nachdem der Gesetzgeber im Jahr 2008 die Einrichtung von Zweigstellen einer Anwaltskanzlei ermöglicht hatten, beschloss die Satzungsversammlung im Jahr 2009 einen neuen § 5 Berufsordnung (BORA): „Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, die für seine Berufsausübung erforderlichen sachlichen, personellen und organisatorischen Voraussetzungen in Kanzlei und Zweigstelle vorzuhalten.” Diese Regelung hob das Bundesministerium der Justiz mit der Begründung auf, da sie von der Regelungskompetenz der Satzungsversammlung nicht gedeckt sei. Gegen diese Entscheidung wurde Klage vor dem Bundesgerichtshof (BGH) erhoben. Der BGH entscheidet die Streitigkeit am 13.9.2010 im Sinne der Satzungsversammlung und bestätigt deren Rechtssetzungsbefugnisse in dieser Frage (Az. AnwZ(P) 1/09, AnwBl 2010, 873).
Der Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) bestellt im Mai 2010 die Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), Dr. Renate Jaeger, zur ersten Schlichterin der Schlichtungsstelle der Anwaltschaft. Die in Berlin ansässige Schlichtungsstelle der Anwaltschaft wurde durch den Gesetzgeber im Jahr 2009 geschaffen und wird zum 1.11.2011 ihre Tätigkeit aufnehmen. Sie schlichtet in zivilrechtlichen Streitigkeiten zwischen Mandanten und Anwälten, z.B. in Streitigkeiten über die anwaltliche Vergütung und die Haftung, bis zu einem Streitwert von 15.000,- EUR. Jaeger war vor ihrer Tätigkeit beim EGMR als Richterin am Bundesverfassungsgericht tätig und dort u.a. für Verfahren zuständig, die die Freien Berufe betrafen.
III. Rechtsprechung
1. Allgemeines Berufsrecht
Nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 20.5.2010 ist die Beschlagnahme von Anwaltspost trotz des besonders geschützten Vertrauensverhältnisses zwischen Rechtsanwalt und Mandant zulässig, wenn gegen den Strafverteidiger ein an konkrete Tatsachen anknüpfender einfacher Tatverdacht hinsichtlich einer Straftat besteht. In demselben Verfahren entscheidet das BVerfG zudem, dass ein Rechtsanwalt sich durch Äußerungen in der Verteidigerpost an seinen Mandanten der Beleidigung strafbar machen kann. Das Verhältnis zwischen Mandant und Verteidiger begründe keine beleidigungsfreie Sphäre. Das BVerfG lehnt ein schutzwürdiges Interesse des Verteidigers an ungehinderter Kundgabe ehrverletzender Äußerungen gegenüber seinem Mandanten ab (Az. 2 BvR 1413/09, NJW 2010, 2937).
In einer Entscheidung vom 4.2.2010 muss sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit den Umständen des Abschlusses und dem Inhalt einer anwaltlichen Vergütungsvereinbarung auf der Basis von Stundenhonoraren befassen. Der BGH hält an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, dass aus dem Überschreiten des fünffachen Satzes der für die fragliche Tätigkeit im Tarifgesetz bestimmten Vergütung eine Vermutung der Unangemessenheit des vereinbarten Honorars abgeleitet werden kann. Der BGH betont aber, dass diese Vermutung durch die Darlegung entkräftet werden könne, dass die vereinbarte Vergütung im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände angemessen ist. Der BGH weist zudem darauf hin, dass der Rechtsanwalt bei Vereinbarung eines Stundenhonorars die während des abgerechneten Zeitintervalls erbrachten Leistungen konkret und in nachprüfbarer Weise darzulegen hat (Az. IX ZR 18/09, AnwBl 2010, 362).
Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm stellt in einem Urteil vom 14.2.2010 klar, wie weit die gesetzlich angeordnete Haftungsbegrenzung von Gesellschaftern einer Partnerschaftsgesellschaft reicht. Nach dem gesetzlichen Haftungskonzept dieser 1994 speziell für die Angehörigen Freier Berufen geschaffenen Personengesellschaft haften für Fehler in der Mandatsbearbeitung nur die mit der Bearbeitung des Mandats befassten oder mit der Beaufsichtigung der mandatsbearbeitenden Angestellten betrauten Partner. Das OLG Hamm betont, dass es insofern auf die tatsächliche Bearbeitung ankommt: Sobald ein Partner ein Mandat tatsächlich bearbeitet, schadet die Haftung eines nicht mandatsbearbeitenden Partners selbst dann aus, wenn er grundsätzlich für Mandate der fraglichen Art kanzleiintern zuständig ist (Az. 28 U 151/09, AnwBl 2010, 803).
Das Anwaltsgericht (AnwG) Frankfurt entscheidet mit Urteil vom 17.3.2010, dass die unterbliebene Rückgabe von Unterlagen eines Mandanten an diesen keine Verletzung berufsrechtlicher Pflichten darstelle. Die Pflicht zur Herausgabe von überlassenen Mandantenunterlagen sei ausschließlich im Zivilrecht angeordnet. Berufsrechtlich geregelt sei allein das Sonderproblem, ob der Rechtsanwalt gegen einen Herausgabeanspruch ein Zurückbehaltungsrecht wegen nicht gezahlter Vergütung geltend mache könne. Verweigere ein Anwalt daher die Herausgabe von Akten, könne er vom Berufsgericht nicht disziplinarisch bestraft werden (Az. IV AG 1/09, BRAK-Mitt 2010, 223).
Das Amtsgericht (AG) Aachen bestätigt in einer Entscheidung vom 1.4.2010, dass eine Rechtsschutzversicherung keinen Auskunftsanspruch gegen den Rechtsanwalt eines Versicherungsnehmers hat. Das AG Aachen weist darauf hin, dass zwischen einer Rechtsschutzversicherung und dem Rechtsanwalt eines rechtsschutzversicherten Mandanten keine vertraglichen Beziehungen bestehen, die den Rechtsanwalt zur Auskunft verpflichten könnten. Auch könne die Rechtsschutzversicherung keine Auskunftsanspruch aus übergegangenem Recht ihres Versicherungsnehmers durchsetzen, da einem solchen Anspruch die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht des Rechtsanwalts entgegen stehe (Az. 112 C 182/09, BRAK-Mitt 2010, 188).
2. Grenzüberschreitende anwaltliche Tätigkeit
In einem Beschluss vom 15.10.2010 kommt das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen zu dem Ergebnis, dass ein in Deutschland bestandenes Erstes Juristisches Staatsexamen einem Kandidaten der Eignungsprüfung im Sinne der Richtlinie 89/48/EG bzw. 2005/36/EG keinen Anspruch darauf gibt, nach Maßgabe der Vlassopolou-Rspr. des Europäischen Gerichtshofs Teile der Eignungsprüfung erlassen zu bekommen. Das OVG betont, dass der Zweck der Eignungsprüfung darin bestehe, die Fähigkeit des Antragstellers zu beurteilen, den Beruf eines Rechtsanwalts in der Bundesrepublik Deutschland auszuüben. Demgegenüber diene die Erste Juristische Staatsprüfung der Feststellung, ob der Bewerber das Ziel des rechtswissenschaftlichen Studiums erreicht hat. Die Eignungsprüfung überprüfe auf die berufliche Rechtspraxis, nicht allein die Beherrschung des Rechts zugeschnittene Kenntnisse, was auch in den in der Eignungsprüfung gestellten praktischen Aufgaben aus der Anwaltspraxis zum Ausdruck komme (Az. 14 B 1212/10, NJOZ 2011, 1208).
Wie bereits zuvor der Bundesfinanzhof (BFH) und das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat nun auch das Bundesozialgericht (BSG) klargestellt, dass die Einlegung eines Rechtsmittels zum BSG durch einen nicht im Inland zugelassenen europäischen Rechtsanwalt in Verfahren mit Anwaltszwang ohne die gleichzeitige Vorlage eines Nachweises über das Einvernehmen eines Rechtsanwalts nach deutschem Recht unwirksam ist. Der dem Beschluss des BSG vom 15.6.2010 zu Grunde liegende Sachverhalt betraf eine österreichische Rechtsanwältin, die beim BSG Beschwerde gegen die Nichtzulassung einer Revision eingelegt hatte. Vor dem Bundessozialgericht besteht, anders als vor den Sozial- und den Landessozialgerichten, Anwaltszwang (Az. B 13 R 172/10 B, BeckRS 2010, 71733).
Mit einem Beschluss vom 22.3.20010 entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), dass sich das von einem deutschen Rechtsanwalt gegenüber dem Gericht erster Instanz erklärte Einvernehmen mit einem ausländischen Rechtsanwalt, der vor diesem Gericht nach Maßgabe der Richtlinie 77/249/EWG auftritt, stets auch auf Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes und das Rechtsmittelverfahren erstrecke. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn der deutsche Einvernehmensanwalt das Einvernehmen ausdrücklich auf die erste Instanz beschränkt hat (Az. 11 CE 09.3150).
Aus einem Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 10.5.2010 ergibt sich, dass auch ein deutscher Rechtsanwalt, der unter Befreiung von der Pflicht, in Deutschland eine Kanzlei unterhalten zu müssen, im Ausland niedergelassen ist, zwingend über eine Berufshaftpflichtversicherung verfügen muss. Nach § 51 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) muss jeder Rechtsanwalt eine Berufshaftpflichtversicherung mit einer Deckungssumme von 250.000,- EUR nachweisen, bei Fehlen der Versicherung muss die Rechtsanwaltskammer die Zulassung des Rechtsanwalts zwingend widerrufen. Der BGH weist in seinem Beschluss darauf hin, dass auch ein Rechtsanwalt, der ausschließlich eine Kanzlei im Ausland unterhalte, sich in Deutschland schadensersatzpflichtig machen kann. Das Verfahren betraf einen in der Schweiz niedergelassenen deutschen Rechtsanwalt (Az. AnwZ(B) 30/09, BRAK-Mitt 2010, 213).
Das Oberlandesgericht (OLG) Rostock entscheidet am 28.12.2010, dass eine im Ausland ansässige Partei, die eine deutsche Niederlassung einer internationalen Sozietät mit der Führung eines Prozesses in Deutschland beauftragt, im Rahmen der Kostenerstattung keine zusätzlichen Kosten für die anwaltliche Betreuung im Heimatland beanspruchen kann, wenn die fragliche Sozietät dort über eine Niederlassung verfügt. Zwar hat eine ausländische Partei bei Prozessführung in Deutschland bei einem Prozessgewinn grundsätzlich Anspruch auf die Erstattung auch der Kosten eines sie im Heimatland betreuenden weiteren Anwalts. Verfügt die in Deutschland beauftragte Kanzlei aber auch im Heimatland über eine Niederlassung mit sachkundigem Personal, muss die Partei sich - unter kostenrechtlichen Gesichtspunkten - dieser Niederlassung bedienen. Beauftragt sie gleichwohl eine andere Kanzlei, kann sie die entstandenen Kosten nicht vom unterlegenen Prozessgegner ersetzt verlangen (Az. 5 W 121/10, NJW-RR 2011, 486).
2009
Rechtstatsächliches und Statistisches
Zahl der Rechtsanwälte
Am 1.1.2009 waren in Deutschland 150.377 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zur Anwaltschaft zugelassen, ein Wachstum von 2,36% im Vergleich zum Vorjahr. Dies ist das geringste prozentuale Wachstum seit dem Jahr 1980 (wenngleich sich seit 1994 die absolute Zahl der Rechtsanwälte mehr als verdoppelt hat). Der Anteil der Rechtsanwältinnen an der Anwaltschaft ist auf 31,0% gestiegen. Die Zahl der unter ihrem Heimattitel in Deutschland niedergelassenen Rechtsanwälte aus Mitgliedsstaaten der EU bzw. der EFTA betrug 322 (im Vergleich zu 2008 +25), die Zahl der Rechtsanwälte mit einer Niederlassung auf Grundlage der Garantien des GATS 200 (+15). Die meisten ausländischen Berufsqualifikationen stammen aus dem Vereinigten Königreich (68), gefolgt von Spanien (45) und Italien (41). Am Stichtag 1.1.2009 waren in Deutschland keine Rechtsanwälte mit einem Anwaltstitel aus Finnland, Irland, Litauen, Malta, Norwegen, der Slowakischen Republik, Slowenien oder Zypern niedergelassen.
Zahl der Fachanwaltstitel
Die Zahl der von den Rechtsanwaltskammern verliehenen Fachanwaltstitel ist zum Stichtag 1.1.2009 auf 35.919 gestiegen. Da ein Rechtsanwalt nunmehr drei Fachanwaltstitel gleichzeitig führen darf, spiegelt diese Zahl nicht die tatsächliche Anzahl der Rechtsanwälte wider, die einen Fachanwaltstitel erworben haben. Obwohl mittlerweile 20 Fachanwaltsgebiete geschaffen worden sind, entfallen auf die zwei Fachanwaltsgebiete des Familienrechts und des Arbeitsrechts fast die Hälfte aller verliehenen Fachanwaltstitel (44%). Die verliehenen Befugnisse verteilen sich wie folgt auf die Fachanwaltsgebiete: 8.038 Arbeitsrecht, 7.749 Familienrecht, 4.431 Steuerrecht, 2.276 Strafrecht, 2.104 Verkehrsrecht, 1887 Miet- und Wohnungseigentumsrecht, 1845 Bau- und Architektenrecht, 1.329 Verwaltungsrecht, 1.155 Sozialrecht, 1.060 Insolvenzrecht, 942 Erbrecht, 818 Versicherungsrecht, 777 Medizinrecht, 539 Handels- und Gesellschaftsrecht, 411 Gewerblicher Rechtsschutz, 135 IT-Recht, 120 Transport- und Speditionsrecht und 85 Urheber- und Medienrecht. Für den neuen Fachanwaltstitel für Agrarrecht liegen noch keine Zahlen vor.
Neuer Fachanwaltstitel im Agrarrecht
Seit dem 1.7.2009 kann der neue Fachanwaltstitel für Agrarrecht erworben werden, soweit der Rechtsanwaltskammer besondere praktische Erfahrungen im Bereich des Agrarrechts nachgewiesen werden. Die genauen Erfordernisse für den Erwerb dieses Titels sind in § 14m Fachanwaltsordnung (FAO) bestimmt.
Gesetzgebung und Rechtspolitik
Neue Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts für anwaltliche Streitigkeiten
Das am 1.9.2009 in Kraft getretene ?Gesetz zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht? (RAuNOBRÄndG) sieht zur Rechtsvereinheitlichung in den neuen §§ 112a ff. Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) vor, dass sich Streitigkeiten verwaltungsrechtlicher Natur (insbesondere Zulassungsstreitigkeiten) zwischen Kammermitgliedern und der Rechtsanwaltskammer nicht mehr nach dem Gesetz über die Freiwillige Gerichtsbarkeit (FGG), sondern nach der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) richten. Dies entspricht der traditionellen Rechtslage bei anderen freien Berufen. An der eigenständigen Anwaltsgerichtsbarkeit in Verwaltungssachen (mit den bei den Oberlandesgerichten angesiedelten Anwaltsgerichtshöfen und dem Anwaltssenat beim Bundesgerichtshof als Rechtsmittelinstanz) wird (zunächst) festgehalten, d.h. die Streitigkeiten werden weiterhin nicht vor den Verwaltungsgerichten ausgetragen.
Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft
Mit demselben Reformgesetz wurde in einem neuen § 191f Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) eine unabhängige und bundesweit agierende ?Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft? eingeführt, die zivilrechtliche Streitigkeiten zwischen Rechtsanwalt und Mandant ohne Anrufung der Gerichte beilegen soll (z.B. bei Honorarstreitigkeiten und Haftungsansprüchen des Mandanten gegen den Rechtsanwalt). Sie wird ihre Tätigkeit im Laufe des Jahres 2010 aufnehmen. Die Teilnahme am kostenfreien Schlichtungsverfahren ist freiwillig und kann von beiden Vertragsparteien beantragt werden. Im Unterschied zu den bereits existierenden lokalen Schlichtungsstellen der Anwaltskammern darf die zum Richteramt befähigte Person des Schlichters kein Rechtsanwalt sein. Als Vorbild dienten hierbei die "Ombudsstellen" der Banken- und Versicherungswirtschaft. Nach einer empirischen Studie des Soldan Instituts sind 77 % der Rechtsanwälte bereit, an Schlichtungsverfahren teilzunehmen, 22 % lehnen sie aus kosten- und zeitintensiven Gründen ab oder halten die bisherige regionale Kammerschlichtung für ausreichend.
Erhöhung der Höchstzahl der Fachanwaltstitel
Eine weitere durch das Reformgesetz bewirkte Änderung trägt der konstanten Zunahme der Fachanwaltschaften und der Zahl der verliehenen Fachanwaltstiteln Rechnung. Die in § 43c Abs. 1 Satz 3 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) bestimmte Höchstzahl der Fachanwaltstitel, die ein Rechtsanwalt gleichzeitig führen darf, wurde von zwei auf drei Rechtsgebiete erhöht. Der ursprüngliche Gesetzentwurf sah einen völligen Verzicht auf eine Höchstzahl vor. Letztlich setzten sich aber die Bedenken der Bundesrechtsanwaltskammer durch, die durch eine inflationäre Titelhäufung die Qualität der Fachanwaltsbezeichnungen gefährdet sah. Eine empirische Studie ergab, dass fast zwei Drittel der Rechtsanwälte die Gesetzesänderung nicht begrüßen.
Senkung der Ausgaben für Beratungshilfe gescheitert
Ein von den Bundesländern eingebrachter Gesetzesvorschlag, die steigenden, von den 16 Bundesländern zu tragenden Ausgaben für die Beratungshilfe zu begrenzen, ist aufgrund der Neuwahl des Parlaments im September 2009 hinfällig geworden. Der Gesetzentwurf sollte Einsparpotenziale realisieren (z.B. Erhöhung der Eigenbeteiligung des Beratungshilfeberechtigten und Beschränkung der Möglichkeit, erst nach der Konsultation eines Rechtsanwalts einen Beratungshilfeantrag zu stellen). Das Gesetzesvorhaben wurde von der Anwaltschaft und der Bundesregierung nicht unterstützt. Im internationalen Vergleich sind die Aufwendungen Deutschlands für die Beratungshilfe unterdurchschnittlich und betragen jährlich weniger als ein Euro pro Bürger.
Zulassung neuer GATS-Rechtanwälte
Mit der ?Vierten Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des § 206 der Bundesrechtsanwaltsordnung? wurde der Anwendungsbereich des § 206 BRAO erweitert. Diese Vorschrift behandelt die Niederlassungsfreiheit ausländischer Anwälte im Rahmen der GATS-Garantien. Das Bundesjustizministerium erkennt durch Verordnung ausländische Anwaltsberufe als dem deutschen Anwaltsberuf gleichwertig an. Angehörige dieser Anwaltsberufe können Mitglied einer Rechtsanwaltskammer werden und dann in Deutschland im nationalen Recht ihres Heimatstaates und im internationalen Recht beraten. Zusätzlich zu den bisher anerkannten Anwaltsberufen aus 18 Staaten wurden die Anwaltsberufe aus zwölf weiteren Staaten als dem deutschen Anwaltsberuf gleichwertig anerkannt: Albanien (Avokat), Chile (Abogado), Georgien (Adwokati), Ghana (Lawyer/Legal Practioner/Solicitor/Barrister), (Süd-) Korea (Byeonhosa/Lawyer), Malaysia (Peguambela/ Peguamcara/ Advocate/ Solicitor), Mazedonien (Advokat), Panama (Abogado), Singapur (Advocate/Solicitor), Tunesien (Avocat), Ukraine (Advokat) und Uruguay (Abogado).
Anwendung des Geldwäschegesetzes auf Kanzleien
Am 12.1.2009 hat die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) beschlossen, dass die Verpflichtung zur Etablierung bestimmter interner Sicherungsmaßnahmen im Sinne des § 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 und 3 Geldwäschegesetz (GwG) keine Anwendung auf Kanzleien mit weniger als zehn Berufsangehörigen findet. Nach Auffassung der BRAK ist bei einer solchen Größe die Gefahr eines Verlusts geldwäscherelevanter Informationen als gering anzusehen. Grundsätzlich ist das Geldwäschegesetz auf Rechtsanwälte anwendbar, soweit sie Mandate mit einem für Rechtsanwälte atypischen Inhalt betreuen (z.B. Verwaltung von Geld oder Kauf von Immobilien).
Rechtsprechung
BGH-Höchtsgebühr für Strafverteidiger verfassungswidrig
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) stellte im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde durch Beschluss vom 15.6.2009 (Az. 1 BvR 1342/07) fest, dass zivilrechtliche Urteile, durch die der Honoraranspruch eines Strafverteidigers aus einer Vergütungsvereinbarung unter Hinweis auf die gesetzlich für die Tätigkeit bestimmten Anwaltsgebühren schematisch gekürzt wird, gegen die verfassungsrechtlich in Art. 12 Abs. 1 GG garantierte Berufsfreiheit verstoßen. Zuvor hatten Fachgerichte überwiegend Vergütungsvereinbarungen von Strafverteidigern gekürzt, wenn mit diesen die im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) vorgesehene gesetzliche Höchstgebühr um mehr als das Fünffache überschritten wurde. Das BVerfG entschied, dass die gesetzlichen Gebühren nicht als einziger Maßstab für die Angemessenheit einer Vergütung angesehen werden können, da die gesetzlichen Gebühren weder eine ökonomische Bewertung der Anwaltsleistung im konkreten Mandat vornähmen noch bestimmte Tätigkeiten überhaupt angemessen vergüteten
Kein Schadensersatzanspruch bei Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages
Mit Urteil vom 9.7.2009 (Az. IX ZR 88/08) entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass die Schlechterfüllung eines Anwaltsvertrages neben einem Schadensersatzanspruch regelmäßig keinen Schmerzensgeldanspruch begründe. Eine frühere Mandantin hatte einen Rechtsanwalt auf Schmerzengeld verklagt, weil eine fehlerhafte Rechtsauskunft des Rechtsanwalts mitursächlich für eine posttraumatische Belastungsstörung gewesen sei. Der BGH betonte, dass ein Rechtsanwalt nur für solche Nachteile einzustehen habe, zu deren Abwendung er durch den Anwaltsvertrag verpflichtet sei. Sie ergäben sich aus dem Ziel, das der Mandant mit der Beauftragung des Rechtsanwalts verfolge.
Kooperation mit "Associates" möglich
In einer Entscheidung vom 3.11.2008 (Az. AnwSt R 10/08) musste sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Frage beschäftigen, inwieweit deutsche Kanzleien den Begriff ?Associates? verwenden dürfen. Der BGH kam zu dem Ergebnis, dass der Begriff auf eine auf Dauer angelegte berufliche Zusammenarbeit mit anderen Berufsträgern hinweise. Der Begriff dürfe daher bei einer bloßen Kooperation (im konkreten Fall mit einer Unternehmensberatungs-GmbH und einer Steuerberatungsgesellschaft), bei der ein Mandant gerade nicht vom Sachverstand mehrerer, dauerhaft mit der Kanzlei kooperierender Berufsträgern profitiert, nicht verwendet werden.
Berufszugang zur deutschen Anwaltschaft
Durch Entscheidung vom 16.3.2009 (Az. AnwZ (B) 31/08) hat der Bundesgerichtshof (BGH) festgestellt, dass sich die Frage der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft in Deutschland für einen EU-Bürgers mit ausländischer Qualifikation allein nach der Richtlinie 98/5/EG beantworte. Aus der Richtlinie 2005/36/EG könnten wegen Art. 2 Abs. 3 Richtlinie 2005/36/EG keine Rechte auf Zugang zur Anwaltschaft hergeleitet werden. In dem entschiedenen Fall hatte ein polnischer Staatsbürger, der in Polen nicht zur Anwaltschaft zugelassen war, unter Hinweis auf seine juristische Ausbildung bei einer deutschen Rechtsanwaltskammer einen Antrag auf Zulassung gestellt. Der BGH wies darauf hin, dass ein EU-Bürger, dessen im Ausland erworbene juristische Ausbildung als der deutschen ?Ersten Juristischen Staatsprüfung? gleichwertig anerkannt wurde, unter bestimmten Voraussetzungen in Deutschland nur einen Anspruch auf Zugang zur Weiterqualifikation habe (EuGH, Rs. C-313/01 - ?Morgenbesser?), nicht aber auf unmittelbare Zulassung zur Anwaltschaft. In Deutschland erhält nur Zugang zum Rechtsanwaltsberuf, wer nach Absolvierung des zweijährigen juristischen Vorbereitungsdienstes (?Referendariat?) die ?Zweite Juristische Staatsprüfung? abgelegt hat oder den Rechtsanwaltsberuf bereits in einem Staat der EU ausübt.
CCBE-Regel begründet keine disziplinarrechtliche Berufspflicht
In einer Entscheidung vom 30.4.2009 (Az. I AnwG 27/08) gelangte das Anwaltsgericht Hamburg zu der Auffassung, dass die Ziffer 5.7. der Berufsregeln der Rechtsanwälte in der Europäischen Union (?CCBE-Regeln?), die die Haftung für Honorarforderungen unter Kollegen betrifft, eine zivilrechtliche Anspruchsgrundlage und keine disziplinär zu ahndende anwaltliche Berufspflicht sei. Nach Ansicht des Gerichts verbietet bereits das Prinzip der selbstverantwortlichen und grundsätzlich unreglementierten anwaltlichen Berufsausübung, dass die Kammern den Rechtsanwalt wegen Nichterfüllung von zivilrechtlichen Ansprüchen disziplinarisch verfolge. § 29 der Berufsordnung (BORA), nach dem alle CCBE-Berufsregeln den Charakter von Berufspflichten haben sollen, stehe einem solchen Verständnis nicht entgegen, da in Ziffer 5.7 CCBE-Regeln rein zivilrechtliche Fragen geregelt würden. Auf die Frage, ob über die CCBE-Regeln überhaupt zivilrechtliche Pflichten eines Rechtsanwalts begründet werden können, die das deutsche Zivilrecht in dieser Form nicht kennt, ging das Anwaltsgericht Hamburg in seiner Entscheidung nicht ein.
M.Kilian/S.Lemke 2010
2008
Rechtstatsächliches und Statistisches
Zahl der Rechtsanwälte
Am 1.1.2008 waren in Deutschland 146.910 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zur Anwaltschaft zugelassen, ein Wachstum von 2,86% im Vergleich zum Vorjahr. Das prozentuale Wachstum blieb nahezu unverändert gegenüber dem Jahr 2007 (wenngleich sich seit 1995 die absolute Zahl der Rechtsanwälte mehr als verdoppelt hat). Der Anteil der Rechtsanwältinnen an der Anwaltschaft ist auf 30,43% gestiegen. Die Zahl der unter ihrem Heimattitel in Deutschland niedergelassenen Rechtsanwälte aus Mitgliedsstaaten der EU bzw. der EFTA betrug 297, die Zahl der Rechtsanwälte mit einer Niederlassung auf Grundlage der Garantien des GATS 185. Die meisten ausländischen Berufsqualifikationen stammen hierbei aus dem Vereinigten Königreich (80), gefolgt von Spanien (45) und Italien (40). Am Stichtag 1.1.2008 waren in Deutschland keine Rechtsanwälte mit einem Anwaltstitel aus Estland, Finnland, Island, Lettland, Litauen, Malta, Norwegen, der Slowakischen Republik, Sowenien, der Tschechischen Republik oder Zypern niedergelassen.
Zahl der Fachanwaltstitel
Die Zahl der von den Rechtsanwaltskammern verliehenen Fachanwaltstitel ist zum Stichtag 1.1.2008 auf 32.747 gestiegen. Da ein Rechtsanwalt (Rechtsstand 2008) zwei Fachanwaltstitel gleichzeitig führen darf, spiegelt diese Zahl nicht die tatsächliche Anzahl der Rechtsanwälte wider, die einen Fachanwaltstitel erworben haben. Obwohl mittlerweile 19 Fachanwaltsgebiete geschaffen worden sind, entfallen auf die zwei Fachanwaltsgebiete des Familienrechts und des Arbeitsrechts knapp die Hälfte aller verliehenen Fachanwaltstitel. Zum Stichtag verliehen worden waren 7669 Befugnisse zum Führen des Fachanwaltstitels für Arbeitsrecht, 7474 für das Familienrecht, 4313 für das Steuerrecht, 2096 für das Strafrecht, 1299 für das Verwaltungsrecht, 1610 für das Bau- und Architektenrecht, 1762 für das Verkehrsrecht, 1540 für das Miet- und Wohnungseigentumsrecht, 1065 für das Sozialrecht, 931 für das Insolvenzrecht, 726 für das Versicherungsrecht, 793 für das Erbrecht und 628 für das Medizinrecht. Für die noch jungen Fachanwaltschaften für IT-Recht, Urheberrecht und Transportrecht, die sämtlich erst 2006 geschaffen worden sind, sind bislang jeweils weniger als 140 Fachanwaltstitel verliehen worden. Lässt man diese drei kleinsten Fachanwaltschaften unberücksichtigt, waren die im Jahr 2008 am schnellsten wachsenden Fachanwaltschaften das Handels- und Gesellschaftsrecht und der Gewerbliche Rechtsschutz.
Stundensätze deutscher Rechtsanwälte
m Juli 2008 wurden durch das Soldan Institut bundesweit erhobene Daten zu Stundensätzen deutscher Rechtsanwälte veröffentlicht. Der durchschnittliche Stundensatz deutscher Rechtsanwälte liegt demnach bei 182 EUR. Einzelanwälte berechnen durchschnittlich 166 EUR, Kanzleien mit mehr als 20 Anwälten 270 EUR. 9% der Rechtsanwälte arbeiten für bis zu 100 EUR pro Stunde. 2/3 aller Rechtsanwälte arbeiten allerdings nicht mit einem festen Stundensatz, sondern mandatsabhängig mit Mindest- und Höchstsätzen: Im statistischen Mittel beträgt der Mindestsatz 136 EUR, der Höchstsatz 220 EUR.
Gesetzgebung und Rechtspolitik
Zugang zum deutschen Referendariat für Absolventen aus EU- und EWR-Staaten und der Schweiz
Der neu am 1.1.2007 in Kraft getretene § 112a DRiG sichert Absolventen mit rechtswissenschaftlichen Universitätsdiplom (im Sinne des § 1 EuRAG) aus Staaten der EU, des EWR-Abkommens und der Schweiz den Zugang zum deutschen juristischen Vorbereitungsdienst, soweit sie in einem der aufgeführten Staaten Leistungen erbracht haben, die der staatlichen Pflichtfachprüfung in Deutschland gleichwertig sind. Andernfalls muss eine Eignungsprüfung abgelegt werden, die ein Äquivalent zum schriftlichen Teil des deutschen 1. Staatsexamens darstellt. Die Regelung geht auf die Morgenbesser-Entscheidung des EuGH vom 13.11.2003 (Rs. C-313/01) zurück. Der juristische Vorbereitungsdienst ist Voraussetzung für die Teilnahme am Zweiten Juristischen Staatsexamen, dessen Bestehen die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ermöglicht.
Inkraften des neuen Rechtsdienstleistungsgesetzes und Betätigungsmöglichkeit für nicht-anwaltliche Dienstleister
Das aus dem Jahr 1935 stammende RBerG wurde zum 30. 06. 2008 aufgehoben, an seine Stelle trat am 1.7. 2008 das Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen (RDG). Damit fand die langjährige Diskussion über die zukünftige Regulierung des deutschen Rechtsdienstleistungsmarktes ihr (vorläufiges) Ende. Eine wesentliche Änderung betrifft die neuen Betätigungsmöglichkeiten für nicht-anwaltliche Dienstleister im außergerichtlichen Bereich (u.a. bei altruistischer und sog. Annex-Rechtsberatung), wenngleich das RDG weiterhin den als Rechtsanwalt zugelassenen, berufsrechtlich regulierten Volljuristen als zentralen Rechtsdienstleister ansieht. Die Befürchtung, dass mit dem RDG ein neues, mit dem Rechtsanwalt konkurrierendes Berufsbild des Rechtsdienstleisters geschaffen wird, hat sich bislang nicht bewahrheitet. Allein im Bereich der Unfallschadenregulierung haben die Rechtsanwälte in den ersten Monaten nach Inkrafttreten des RDG vermehrte Aktivitäten nicht-anwaltlicher Dienstleister festgestellt (in einer Umfrage gaben dies 31% aller Rechtsanwälte an). Die Neufassung des Rechtsdienstleistungsbegriffs modifizierte zudem den Begriff der rechtsdienstleistenden Nebentätigkeit. Fortan sind Rechtsdienstleistungen in Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit erlaubt, wenn die Rechtsleistung als Nebenleistung zum Berufs- und Tätigkeitsbild dieser anderen Tätigkeit gehört.
Betätigungsmöglichkeit von nicht-anwaltlichen EU-Rechtsdienstleistern
Im neuen Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) sind in § 15 RDG die Voraussetzungen neu geregelt worden, unter denen nicht-anwaltliche Rechtsdienstleister aus dem EU-Ausland vorübergehend rechtsdienstleistend in Deutschland tätig werden können. Das RDG setzt insofern Art. 5 der Richtlinie 2005/36/EG um. Vorübergehend dürfen von einem EU-Bürger in Deutschland Tätigkeiten als Inkassodienstleister, Rentenberater und Rechtskundiger in einem ausländischen Recht erbracht werden, wenn die betreffende Person diese Tätigkeiten auch in ihrem Herkunftsstaat erbringen darf. Rechtsdienstleistungen mit einem anderen Inhalt dürfen in Deutschland nicht erbracht werden, da sie auch einem deutschen Staatsbürger im Rahmen einer hauptberuflichen Tätigkeit nicht erlaubt sind, soweit er kein Rechtsanwalt ist. Vor einem Tätigwerden muss der ausländische Rechtsdienstleister sich schriftlich bei der für ihn zuständigen Registrierungsbehörde melden (http://www.rechtsdienstleistungsregister.de/Zustaendigkeitsliste.pdf).
Reform des Verbots des Erfolgshonorars
Eine weitere Änderung betrifft die Reform des Verbots des Erfolgshonorars im neu gefassten § 49b Abs. 2 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) i.V.m. § 4a Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), die am 1.7.2008 in Kraft trat. Sie beruht auf einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12.12.2006 (zu Details der Jahresbericht 2007). Das Gericht verpflichtete den Gesetzgeber, bis zum 30.6.2008 das zuvor geltende uneingeschränkte Verbot des anwaltlichen Erfolgshonorars zumindest für solche Fälle zu lockern, in denen nur ein Erfolgshonorar gewährleisten kann, dass eine Person Zugang zum Recht erhält. Wohl auch aufgrund des Zeitdrucks sah der Gesetzgeber in der Neufassung davon ab, das Verbot des anwaltlichen Erfolgshonorars insgesamt aufzuheben. Nunmehr ist ein Erfolgshonorar zulässig, ?wenn der Auftraggeber aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse bei verständiger Betrachtung ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der Rechtsverfolgung abgehalten werden würde?. Nach einer empirischen Studie hat im Zeitraum von Juli 2008 bis Mai 2009 jeder fünfte Rechtsanwalt von der Neuregelung Gebrauch gemacht, ganz überwiegend aber nur ein oder zweimal. Die Vereinbarung eines Erfolgshonorars blieb damit, abgesehen von Sozietäten, die überwiegend gewerbliche Mandate betreuten, die Ausnahme.
Neue anwaltliche Anzeigepflichten bei Geldwäsche
Mit dem Inkrafttreten des Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetzes (GwBeKErgG) am 21.8.2008 haben auch Rechtsanwälte erweiterte Anzeigepflichten, wenn der Vertragspartner außerhalb einer bestehenden Geschäftsbeziehung Bargeschäfte von mehr als 15.000 EUR tätigt, der Verdacht der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung besteht. Weiterhin bestehen die Meldepflichten für Rechtsanwälte nur bei Tätigkeiten außerhalb des genuin anwaltlichen Tätigkeitsfelds (z.B. bei Immobilientransaktionen, Vermögensverwaltung, Konteneröffnung, Finanzierungen, Treuhandgesellschaften). Die Neuregelung des Geldwäscherechts setzt die dritte EG-Geldwäscherichtlinie (RL 2005/60/EG) um.
Rechtsprechung
Versteigerung anwaltlicher Dienstleistungen
Am 19.1.2008 entschied das Bundesverfassungsgericht (Az. 1 BvR 1886/06), dass die Versteigerung anwaltlicher Dienstleistungen in einem Internetauktionshaus nicht berufsrechtswidrig ist. Die zuvor von der Rechtsanwaltskammer Berlin erteilte und vom Anwaltsgericht Berlin (Az. 1 AnwG 42/05) bestätige Rüge gegen einen Rechtsanwalt wurde als Verstoß gegen die verfassungsrechtlich geschützte Berufsfreiheit angesehen. Da der Rechtsanwalt bei der Versteigerung im Internetauktionshaus weder den potentiellen Mandanten noch dessen Beratungsbedarf kenne, liege keine unzulässige Einzelfallwerbung im Sinne des § 43b BRAO vor. Das Zustandekommen des Mandatsvertrages hänge vielmehr allein vom Willen des Rechtssuchenden ab, der die Internetseite des Auktionshauses abrufe. Durch die passive Darstellungsplattform erfolge weder eine Belästigung noch werde eine breite Öffentlichkeit unvorbereitet kontaktiert. Auch der niedrige Startpreis oder das erzielte Höchstgebot könnten nicht als irreführend betrachtet werden. Insbesondere stehe es dem Rechtsanwalt frei, von den gesetzlichen Gebühren des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) abweichende Honorarvereinbarungen zu treffen. Auch gewähre der Rechtsanwalt durch die Zahlung der Teilnahmegebühr keine unzulässige Provision für die Vermittlung eines Mandats, da die Zahlung an das Auktionshaus lediglich für die Bereitstellung der Angebotsplattform als Medium für die anwaltliche Werbung erfolge.
Zulassungsverfahren der Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof
In seiner Entscheidung vom 27.2.2008 (Az. 1 BvR 1295/07) stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass das in den §§ 164 bis 170 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) vorgesehene Zulassungsverfahren für Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof (BGH) ? dem obersten deutschen Zivil- und Strafgericht - verfassungskonform ist. Auftretungsbefugt vor dem BGH sind nur gesondert zugelassene Rechtsanwälte (im Jahr 2008 waren dies 41). Die Nominierung als Rechtsanwalt beim BGH erfolgt durch einen Wahlausschuss, die endgültige Entscheidung über die Zulassung trifft das Bundesministerium für Justiz. Zwar tangiere die Zulassungskontigentierung die in Art. 12 Abs. 1 GG geregelte Berufsausübungsfreiheit, sie sei aber durch das Erfordernis einer geordneten Rechtspflege gerechtfertigt. Die juristisch hoch qualifizierten Revisionsanwälte sollen die Förderung und Weiterentwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorantreiben. Eine Lockerung des Auswahlverfahrens würde unter den Revisionsanwälte zu einem ruinösen Wettbewerb und zum Verlust ihrer wirtschaftlichen Unabhängigkeit führen, die die Qualität der Prozessvertretung vor dem Bundesgerichtshof beeinträchtigen würde. Verwiesen wurde auf eine vom Bundesministerium für Justiz 1998 eingesetzte Kommission, nach der eine spezialisierte Anwaltschaft zur Verbesserung der Prozessvertretung auch an anderen obersten Gerichtshöfen wünschenswert wäre.
Werbung mit Gegnerlisten im Internet
Am 12.12.2007 entschied das Bundesverfassungsgericht (Az. 1 BvR 1625/06), dass Rechtsanwälte im Internet Werbung mit sog. Gegnerlisten betreiben dürfen. Solche Listen benennen, gegen welche Unternehmen und Personen der Sozietät Mandate erteilt worden sind. In seiner Begründung führte das Gericht aus, dass Anwälten zwar irreführende oder aufdringliche Werbung untersagt sei. Die Gegnerlisten stellten jedoch nur eine zutreffende Sachinformation dar, die potentiellen Mandanten die Suche nach einem spezialisierten Rechtsanwalt erleichtern sollen. Eine solche Art der Informierung müsse Anwälten aufgrund der verfassungsrechtlich gewährleisteten Berufsfreiheit möglich sein.
Haftung bei Rechtsanwalts-GmbH
Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Nürnberg vom 21.1.2008 (Az. 6 U 2208/07) kann es eine Durchbrechung des Grundsatzes, dass Gesellschafter bzw. Organe einer GmbH persönlich nicht haften, auch nicht für eine GmbH geben, in der Rechtsanwälte ihren Beruf ausüben. Wie bei jeder anderen GmbH kommt eine persönliche Haftung des Geschäftsführers einer Rechtsanwalts-GmbH nur dann in Betracht, wenn er in besonderem Maß persönliches Vertrauen in Anspruch genommen oder ein unmittelbar eigenes wirtschaftliches Interesse verfolgt hat. Die Bundesrechtsanwaltsordnung erlaubt Rechtsanwälten seit 1998, ihren Beruf in einer GmbH auszuüben.
Einstiegsgehalt für Berufsanfänger
Der Anwaltsgerichtshof NRW entschied am 2.11.2007 (Az. 2 AGH 15/05), dass ein monatliches Bruttoeinstiegsgehalt i.H.v. 1.000 EUR für einen Berufsanfänger nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig ist und gegen § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 b) BORA verstößt. Selbst in der Einarbeitungsphase darf das monatliche Durchschnittseinkommen, das sich auf mindestens 2.300 EUR brutto beläuft, nicht um mehr als 50% unterschritten werden.
M.Kilian/S.Lemke 2009
2007
Rechtstatsächliches und Statistisches
Zahl der Rechtsanwälte
Am 1.1.2007 waren in Deutschland 142.830 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zur Anwaltschaft zugelassen, ein Wachstum von 3,1% im Vergleich zum Vorjahr. Dies ist das geringste prozentuale Wachstum seit dem Jahr 1980 (wenngleich sich seit 1994 die absolute Zahl der Rechtsanwälte mehr als verdoppelt hat). Der Anteil der Rechtsanwältinnen an der Anwaltschaft ist auf 29,9% gestiegen. Die Zahl der unter ihrem Heimattitel in Deutschland niedergelassenen Rechtsanwälte aus Mitgliedsstaaten der EU bzw. der EFTA betrug 256, die Zahl der Rechtsanwälte mit einer Niederlassung auf Grundlage der Garantien des GATS 168. Die meisten ausländischen Berufsqualifikationen stammen hierbei aus dem Vereinigten Königreich (68), gefolgt von Spanien (45) und Italien (41). Am Stichtag 1.1.2007 waren in Deutschland keine Rechtsanwälte mit einem Anwaltstitel aus Estland, Finnland, Island, Litauens, Malta, Norwegens, der slowakischen Republik, Slowenien Ungarn oder Zypern niedergelassen.
Fachanwaltschaften
Die Zahl der von den Rechtsanwaltskammern verliehenen Fachanwaltstitel ist zum Stichtag 1.1.2007 auf 27.953 gestiegen. Da ein Rechtsanwalt zwei Fachanwaltstitel gleichzeitig führen darf, spiegelt diese Zahl nicht die tatsächliche Anzahl der Rechtsanwälte wider, die einen Fachanwaltstitel erworben haben. Obwohl mittlerweile 19 Fachanwaltsgebiete geschaffen worden sind, entfallen auf die zwei Fachanwaltsgebiete des Familienrechts und des Arbeitsrechts die Hälfte aller verliehenen Fachanwaltstitel. Zum Stichtag verliehen worden waren 7047 Befugnisse zum Führen des Fachanwaltstitels für Arbeitsrecht, 6935 für das Familienrecht, 4042 für das Steuerrecht, 1865 für das Strafrecht, 1244 für das Verwaltungsrecht, 1192 für das Bau- und Architektenrecht, 1156 für das Verkehrsrecht, 1007 für das Miet- und Wohnungseigentumsrecht, 930 für das Sozialrecht, 755 für das Insolvenzrecht, 588 für das Versicherungsrecht, 540 für das Erbrecht und 401 für das Medizinrecht. Für die noch jungen Fachanwaltschaften für Handels- und Gesellschaftsrecht, Gewerblichen Rechtsschutz, IT-Recht, Urheberrecht und Transportrecht, die sämtlich erst nach 2004 geschaffen worden sind, sind bislang jeweils weniger als 120 Fachanwaltstitels verliehen worden. Die am schnellsten wachsende Fachanwaltschaft war im Jahr 2007 das Medizinrecht.
Studie "Mandanten und ihre Anwälte"
Im Mai 2007 wurde eine empirische Studie des Soldan Instituts für Anwaltmanagement unter dem Titel ?Mandanten und ihre Anwälte veröffentlicht?. Im Rahmen dieser Studie wurden mehr als 6000 Bürger und mehr als 1000 Mandanten von Rechtsanwälten befragt. Die Studie untersucht, wie Bürger Rechtsprobleme erfahren, an wen sie sich ratsuchend wenden und wie sie die Arbeit eines Rechtsanwalts erleben und bewerten, wenn sie sich für die Erteilung eines Mandats entscheiden. Die Studie hat unter anderem belegt, dass die Hauptsorge von Bürgern, die einen Rechtsanwalt beauftragen möchten, ist, dass sie möglichst rasch mit dem Rechtsanwalt persönlich sprechen können. Die Zufriedenheit von Mandanten mit ihren Anwälten ist hoch: 80% der Befragten waren mit der anwaltlichen Dienstleistung zufrieden oder sehr zufrieden. 67% der Mandanten würden ihren Rechtsanwalt mit Sicherheit, 18% wahrscheinlich erneut beauftragen. Eine weitere Erkenntnis der Studie war, dass die Wahrnehmung von Rechtsanwälten durch Bürger sich deutlich von gerne kolportierten Klischees unterscheidet: Nur wenige Bürger meinen etwa, dass Rechtsanwälte geldorientiert seien, Rechtsstreitigkeiten komplizierten, prozesssüchtig seien oder schlecht kommunizierten.
Gesetzgebung und Rechtspolitik
Gesetz zur Stärkung der Selbstverwaltung der Anwaltschaft
Am 1.6.2007 ist das "Gesetz zur Stärkung der Selbstverwaltung der Anwaltschaft" in Kraft getreten. Das Gesetz hat die weitreichendsten Änderungen der BRAO seit der grundlegenden Reform des Berufsrechts im Jahr 1994 mit sich gebracht. Die Zuständigkeit für alle Fragen der Zulassung zur Anwaltschaft ist durch das Gesetz endgültig von den Gerichtsverwaltungen der Bundesländer auf die regionalen Rechtsanwaltskammern übertragen worden. Eine Konsequenz ist, dass Rechtsanwälte künftig nicht mehr bei einem Gericht zugelassen, sondern nur noch Mitglied einer Rechtsanwaltskammer sind. Hiermit ist das das deutsche Berufsrecht traditionell prägende Prinzip der dualen Zulassung bei Gericht und zur Anwaltschaft aufgegeben worden. Eine Folge hiervon ist, dass der Berufseid nunmehr nicht mehr vor Gericht abgelegt, sondern durch den Präsidenten der Rechtsanwaltskammer abgenommen wird. Neu zugelassene Rechtsanwälte haben künftig mit dem Tag ihrer Zulassung das Recht, vor den Oberlandesgerichten aufzutreten, ohne wie zuvor eine entsprechende Postulationsfähigkeit erst nach fünf Jahren Berufserfahrung zu erwerben. Beibehalten worden ist allerdings die gesonderte Anwaltschaft beim obersten deutschen Zivilgericht, dem Bundesgerichtshof. Seit Inkrafttreten des Gesetzes haben Rechtsanwälte auch die Möglichkeit, Zweigstellen ihrer Kanzlei zu eröffnen und auswärtige Sprechtage abzuhalten. Nach einer Befragung aus dem Jahr 2007 planten 16% aller Rechtsanwälte die Eröffnung einer solchen Zweigstelle, 28% waren zum Zeitpunkt der Befragung noch unentschieden. Das Reformgesetz hat auch zur Einführung eines offiziellen, bundesweiten Anwaltsregisters geführt, das von der Bundesrechtsanwaltskammer unter der Adresse www.rechtsanwaltsregister.org unterhalten wird. Dieses Verzeichnis ersetzt die traditionell bei den örtlichen Gerichten geführten Anwaltslisten.
Neuregelung der Abtretbarkeit von Vergütungsforderungen
Am 18. Dezember 2007 trat eine Änderung des § 49 Abs. 4 BRAO in Kraft. Die reformierte Vorschrift gestattet nunmehr die Abtretung einer anwaltlichen Vergütungsforderung an einen Nicht-Rechtsanwalt. In den zurückliegenden Jahren war ein grauer Markt so genannter ?anwaltlicher Verrechnungsstellen? entstanden. Die meisten Rechtsanwaltskammern hielten die Abtretung von Vergütungsforderungen an diese durch Rechtsanwälte im Wege des Factoring für berufsrechtswidrig, da nach früherer Rechtslage ein Rechtsanwalt seine Vergütungsforderung nur mit Zustimmung des Mandanten und nach Erwirken eines vollstreckbaren Titels vor Gericht an einen Dritten abtreten durfte. Nach der Neuregelung ist die bloße Zustimmung des Mandanten in eine künftige Abtretung von Vergütungsansprüchen, die gegen ihn gerichtet sind, ausreichend. Der Rechtsanwalt muss allerdings den Mandanten über die ihn infolge einer Abtretung treffenden Informationspflichten gegenüber Dritten aufklären. Der Abtretungsempfänger ist einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterworfen, die sich auf alle Informationen erstreckt, die er infolge der Abtretung vom Rechtsanwalt erhalten hat. Nach einer Befragung aus dem Jahr 2006 waren seinerzeit 12% aller Rechtsanwälte daran interessiert, Vergütungsforderungen an Dritte abzutreten.
Sternsozietät und interprofessionelle Berufsausübung
Eine weitere Änderung der Bundesrechtsanwaltsordnung, die ebenfalls am 18.12.2007 in Kraft getreten ist, hat die berufsrechtlichen Vorschriften zur gemeinsamen Berufsausübung von Rechtsanwälten geändert. Infolge einer Anpassung von § 59 Abs. 1 und § 59 I. Abs. 1 BRAO ist es Rechtsanwälten nunmehr gestattet, in mehr als einer anwaltlichen Berufsausübungsgesellschaft Mitglied zu sein (sog. Sternsozietät). Ein Vorschlag der Bundesregierung, auch die berufsrechtlichen Vorgaben zur interprofessionellen Berufsausübung zu liberalisieren, wurde vom Bundestag im Gesetzgebungsverfahren verworfen. Der ursprüngliche Gesetzentwurf hatte vorgeschlagen, dass Rechtsanwälte interprofessionelle Berufsausübungsgesellschaften mit Angehörigen aller ?vereinbaren Berufe? begründen dürfen, das heißt solcher Berufe, die ein Rechtsanwalt selbst zulässigerweise als Zweitberuf ausüben darf. Während 44% aller Rechtsanwälte nach einer Umfrage eine solche Liberalisierung begrüßten, waren 47% gegen eine entsprechende Neuregelung. Die geplante Änderung wurde im Gesetzgebungsverfahren schließlich nicht weiterverfolgt, wenngleich die Bundesjustizministerin bereits mitgeteilt hat, dass sie beabsichtigt, diese Reformfrage in der Zukunft erneut zur Diskussion zu stellen. Einstweilen dürfen Rechtsanwälte - wie bereits in der Vergangenheit - interprofessionelle Berufsausübungsgesellschaften nur mit Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern und Patentanwälten eingehen.
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht
Im Jahr 2007 hat die Satzungsversammlung ein 19. Fachanwaltsgebiet geschaffen. Künftig ist es Rechtsanwälten mit besonderen theoretischen Kenntnissen und besonderer praktischer Erfahrung im Bereich des Bank- und Kapitalmarktrechts möglich, einen Fachanwaltstitel zu erwerben. Die genauen Erfordernisse für den Erwerb dieses Titels sind in § 14l Fachanwaltsordnung (FAO) bestimmt worden.
Rechtsprechung
Teilweise Verfassungswidrigkeit des Verbots des anwaltlichen Erfolgshonorars
Im Februar 2007 veröffentlichte das Bundesverfassungsgericht seine lang erwartete Entscheidung über die Vereinbarkeit des berufsrechtlichen Verbots des anwaltlichen Erfolgshonorars mit dem Grundgesetz. Das Gericht entschied, dass ein uneingeschränktes Verbot, wie es seit 1994 in § 49 Abs. 2 BRAO bestimmt war, verfassungswidrig sei. Das Gericht hat dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 1.7.2008 eingeräumt, eine Regelung zu schaffen, nach der es Rechtsanwälten und Mandanten zumindest gestattet sein muss, ein Erfolgshonorar in solchen Fällen zu vereinbaren, in denen der Mandant ohne eine Erfolgshonorarvereinbarung aus finanziellen Gründen daran gehindert sei, Zugang zum Recht zu erhalten (BVerfG vom 12.12.2006 - Az. 1 BvR 2576/04).
Aufklärungspflichten bei berufsrechtskonformen Interessenkonflikt
In einem Judikat vom 8.11.2007 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass ein Rechtsanwalt bei Mandatsübernahme darüber aufklären muss, dass seine Kanzlei einen Mandanten vertritt, dessen Mandat es aus wirtschaftlichen Interessen der Kanzlei faktisch unmöglich machen wird, gegen ihn für einen anderen Mandanten der Kanzlei gerichtlich vorzugehen. Die entsprechende Pflicht ergibt sich aus dem Anwaltsvertrag und ist nicht berufsrechtlicher Natur. Sie besteht insbesondere auch dann, wenn keine vom Berufsrecht verbotene Vertretung widerstreitenden Interessen im Raume steht, sondern rein kommerzielle Interessen der Kanzlei berührt sind. Im entschiedenen Fall war die betroffene Kanzlei berufsrechtlich nicht gehindert gewesen, das fragliche Mandat anzunehmen oder gegen den - wirtschaftlich für die Kanzlei bedeutsamen - anderen Mandanten vorzugehen. Die Kanzlei hatte sich, nachdem sie für den neuen Mandanten bereits vergütungspflichtige Tätigkeiten entfaltet hatte, sich geweigert, das Mandat gerichtlich zu betreuen, da der Beklagte ein langjähriger Mandant der Kanzlei gewesen wäre (Az. IX ZR 5/06).
Weitere Rechtsprechung, insbesondere zu Fragen der grenzüberschreitenden Berufsausübung, finden Sie auf der Internetpräsenz des Dokumentationszentrums.
© M. Kilian 2008
2006
Rechtstatsächliches und Statistisches
Zahl der Rechtsanwälte
Am 1. Januar 2006 waren in Deutschland 138.104 Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen zugelassen; eine Steigerung von 4,2 % gegenüber dem Vorjahr. Im Vergleich zum Jahr 2005 (+4,6 %) ist das Wachstum leicht zurückgegangen. Der Anteil der Rechtanwältinnen ist von 28,6 % auf 29,3 % gestiegen. Die Zahl ausländischer Anwälte, die in Deutschland auf Grundlage der EG-Richtlinie 98/5/EG oder im Rahmen der GATS-Garantien registriert sind, stieg von 429 auf 507 Personen (+ 18,2 %).
Fachanwaltschaften
Ungebrochen ist der Trend zum Erwerb eines Fachanwaltstitels, der verliehen wird, wenn ?besondere Kenntnisse und Erfahrungen? auf einem bestimmten Rechtsgebiet nachgewiesen werden. Der Fachanwaltstitel für Arbeitsrecht wurde bisher an 6.457 Anwälte verliehen, gefolgt von Familienrecht (6.353), Steuerrecht (3.901), Strafrecht (1.730), Verwaltungsrecht (1.178), Sozialrecht (845), Insolvenzrecht (631) und Versicherungsrecht (395). Erstmals wurden die im Jahr 2004 eingeführten Fachanwaltstitel in den Bereichen Verkehrsrecht (396), Bau- und Architektenrecht (360), Miet- und Wohnungseigentumsrecht (276), Erbrecht (173), Medizinrecht (125) und Transport- und Speditionsrecht (21) verliehen.
Stundensätze deutscher Rechtsanwälte
2006 wurden erstmals bundesweit erhobene Daten zu Stundensätzen deutscher Rechtsanwälte veröffentlicht. Der durchschnittliche Stundensatz deutscher Rechtsanwälte liegt demnach bei 182 EUR. Einzelanwälte berechnen durchschnittlich 157 EUR, Kanzleien mit mehr als 20 Anwälten 289 EUR. 10% der Rechtsanwälte arbeiten für bis zu 100 EUR pro Stunde. 2/3 aller Rechtsanwälte arbeiten allerdings nicht mit einem festen Stundensatz, sondern mandatsabhängig mit Mindest- und Höchstsätzen: Im statistischen Mittel beträgt der Mindestsatz 146 EUR, der Höchstsatz 231 EUR.
Einstiegsgehälter von Junganwälten
Eine Untersuchung des Soldan Instituts für Anwaltmanagement hat ergeben, dass das statistische Durchschnittsgehalt eines deutschen Junganwalts 43.395 EUR beträgt. Die Einstiegsgehälter junger Rechtsanwälte differieren aber je nach Arbeitgeber stärker als in allen anderen akademischen Berufen: Junge Rechtsanwälte verdienen als Angestellte in Einzelkanzleien und kleinen Sozietäten rund 30.000 EUR p.a., in mittelgroßen Sozietäten (5 bis 9 Anwälte) 42.000 EUR und in größeren Kanzleien (10 und mehr Anwälte) 62.300 EUR. In international tätigen Großkanzleien, die in der letztgenannten Zahl enthalten sind, werden noch einmal deutlich höhere Einstiegsgehälter von 100.000 EUR und mehr gezahlt.
Gesetzgebung und Rechtspolitik
Verabschiedung des Gesetzes zur Stärkung der Selbstverwaltung der Rechtsanwaltschaft
Das ?Gesetz zur Stärkung der Selbstverwaltung der Rechtsanwaltschaft?, das die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) reformiert, wurde am 14. Dezember 2006 vom Bundestag verabschiedet. Das Gesetz erklärt die Rechtsanwaltskammern originär zuständig für die Zulassung zur Anwaltschaft; bislang war diese Aufgabe lediglich durch die Landesjustizverwaltungen auf sie delegiert. Künftig sind daher die Kammern und nicht mehr die Gerichte für die Vereidigung neuer Rechtsanwälte zuständig. Durch diese Maßnahmen soll die Selbstverwaltung der Anwaltschaft gestärkt werden. Eingerichtet wird zudem ein von der Bundesrechtsanwaltskammer geführtes, online einsehbares Verzeichnis aller in Deutschland zugelassenen Anwälte. Weitere Neuerungen: Mandanten, die gegen ihren Rechtsanwalt einen Schadensersatzanspruch geltend machen wollen, erhalten von der zuständigen Rechtsanwaltskammer Auskunft über den Berufshaftpflichtversicherer des Rechtsanwalts. Rechtsanwälte können nicht mehr erst nach fünf Jahren Berufserfahrung, sondern sofort nach Zulassung vor den Oberlandesgerichten auftreten. Das Verbot der Errichtung von Zweigstellen einer Kanzlei wird aufgehoben. Schließlich wird die Lokalisation der Zulassung der Rechtsanwälte bei einem bestimmten Gericht abgeschafft. Das Gesetz tritt frühestens Anfang Mai 2007 in Kraft.
Regierungsentwurf eines Rechtsdienstleistungsgesetzes
Am 23. August 2006 wurde der Regierungsentwurf für ein Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) veröffentlicht (siehe auch Jahresberichte 2004 und 2005). Nach diesem neuen Entwurf, der ausschließlich die außergerichtliche Erbringung von Rechtsdienstleistungen betrifft, werden nur solche Rechtsdienstleistungen erlaubnispflichtig sein, die eine substanzielle Rechtsprüfung erfordern und sich nicht auf eine bloße Rechtsanwendung beschränken. Rechtsdienstleistungen im Sinne des RDG dürfen grundsätzlich nur durch registrierte Personen erbracht werden, es sei denn, sie sind als reine Nebenleistung zu einer entgeltlichen Tätigkeit anzusehen. Unentgeltliche Rechtsdienstleistungen sollen von Jedermann erbracht werden können; außerhalb des Familien- oder Bekanntenkreises besteht jedoch zum Schutz des Rechtssuchenden die Pflicht, eine juristisch qualifizierte Person zu beteiligen. Am 13. Oktober 2006 hat der Bundesrat als zweite Kammer des Parlaments einige der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Regelungen als zu weitgehend abgelehnt. Das parlamentarische Verfahren soll 2007 abgeschlossen werden, mit einem Inkrafttreten des neuen Gesetzes ist 2008 zu rechnen.
Verfassungskonforme Neufassung des § 3 BORA
Am 1.7.2006 ist der am 7.11.2005 von der Satzungsversammlung neu gefasste § 3 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) in Kraft getreten. Die Norm betrifft das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen. Die Neuregelung war erforderlich, nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) am 3.7.2003 die bestehende Regelung wegen Verletzung der verfassungsrechtlich geschützten Berufsfreiheit für verfassungswidrig erklärte. Nach der früheren Regelung musste im Fall des Wechsels eines Rechtsanwalts zwischen zwei Sozietäten, die in derselben Rechtssache in widerstreitendem Interesse tätig waren, die aufnehmende Sozietät das widerstreitende Mandat niederlegen. Nach der Neuregelung ist dies nicht mehr notwendig, wenn sich die betroffenen Mandanten in den widerstreitenden Mandaten nach umfassender Information mit der Vertretung einverstanden erklären und Belange der Rechtspflege nicht entgegenstehen. In einem Beschluss vom 20.6.2006 erklärte das BVerfG die neu gefasste Norm für verfassungsgemäß.
Zwei weitere Fachanwaltschaften
Die Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer hat am 3.4.2006 die Einführung von zwei weiteren Fachanwaltstiteln beschlossen. Nunmehr kommen zu den 16 bestehenden Fachanwaltsbezeichnungen die zwei neuen Fachanwaltstitel Urheber- und Medienrecht sowie Informationstechnologierecht.
Rechtsprechung
Internationaler Gerichtsstand für Honorarklagen
In einem Urteil vom 2.3.2006 hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Frage des internationalen Gerichtsstandes für Honorarklagen behandelt. Es handelte sich um die Honorarklage einer deutschen Kanzlei gegen eine französische Mandantin für die Vertretung in einem Schiedsverfahren, das in London stattfand, aber in Deutschland vorbereitet wurde. Streitig war die Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO, nach dem sich der Gerichtsstand nach dem Erfüllungsort für die Erbringung der vertragscharakteristischen Dienstleistung bestimmt. Der BGH entschied, dass der örtliche Schwerpunkt der Dienstleistung maßgebend ist, wenn die Dienstleistung tatsächlich und vertragsgemäß in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten erbracht wird. Zeitaufwand und Bedeutung der Tätigkeitsanteile sind hierbei gegeneinander abzuwägen. Die Tätigkeit vor einem Schiedsgericht führe nicht immer dazu, dass der Ort der mündlichen Verhandlung als Schwerpunkt der Leistungserbringung anzusehen sei. Im entschiedenen Fall sah der BGH aufgrund des zeitlichen Aufwandes für die Vorbereitung der Verhandlung den örtlichen Schwerpunkt der Tätigkeit in Deutschland und bejahte die internationale Zuständigkeit des deutschen Gerichts.
Zulässige Prozesshandlungen des Europäischen Rechtsberaters
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat sich mit Beschluss vom 11.1.2006 zu den Voraussetzungen geäußert, unter denen ein in Österreich ansässiger, in Deutschland im Rahmen der Richtlinie 77/249/EWG dienstleistend tätiger Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter Rechtsmittel in Verfahren einlegen kann, in denen Anwaltszwang besteht: Im zugrunde liegenden Fall hat das BVerwG die Prozesshandlung als unzulässig angesehen, weil sie nicht durch einen vertretungsberechtigten Rechtsanwalt eingelegt wurde. Uneingeschränkt vertretungsberechtigt seien die als solche in Deutschland zugelassenen oder nach § 2 EuRAG registrierten ausländischen Rechtsanwälte. Ein dienstleistender europäischer Rechtsanwalt iSd § 25 EuRAG könne wirksame Prozesshandlungen gemäß §§ 28, 29 EuRAG nur durch schriftlichen Nachweis eines Einvernehmens mit einem in Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt vornehmen. Dieser schriftliche Nachweis muss dem Gericht zum Zeitpunkt der Vornahme der Prozesshandlung vorliegen.
Berufszugang für Europäische Rechtsberater
Der Anwaltsgerichtshof Sachsen-Anhalt (AGH) musste sich in einem Beschluss vom 19.5.2006 mit der Frage befassen, ob ein in Deutschland nach der Richtlinie 98/5/EG niedergelassener englischer Solicitor ohne Ablegen einer Eignungsprüfung und ohne Nachweis einer dreijährigen regelmäßigen und effektiven Tätigkeit im deutschen Recht unmittelbar als Rechtsanwalt zugelassenen werden kann, wenn er seine Universitätsausbildung in Deutschland absolviert, die Berufszugangsqualifikation aber im Ausland erworben hat. Das Gericht verneinte einen solchen Anspruch und betonte, dass auch in einem solchen Fall eine Eignungsprüfung zu absolvieren sei. Soweit der ausländische Rechtsanwalt bereits über Kenntnisse verfüge, die es erlauben, ihm die Eignungsprüfung teilweise oder gänzlich zu erlassen, müsse der Rechtsanwalt diese Frage zunächst mit dem staatlichen Prüfungsamt klären und könne sich erst danach an die Rechtsanwaltskammer wenden. Die Kammer
Anwaltszulassung zum OLG
Am 19.5.2006 urteilte der Anwaltsgerichtshof (AGH) Sachsen Anhalt über den Antrag eines englischen Solicitors auf vorzeitige Zulassung zum Oberlandesgericht (OLG). Der Antragsteller, seit 1997 als Rechtsanwalt beim Supreme Court of New York, seit 2004 beim Supreme Court of England and Wales und seit dem November 2004 als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt i.S.d. Richtlinie 98/5/EG in Deutschland zugelassen, begehrte bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer die sofortige Zulassung bei dem örtlichen OLG. Da Rechtsanwälte in Deutschland (bislang) erst nach fünfjähriger Zulassung bei einem Amts- und Landgericht beim OLG zugelassen werden können, lehnte die Kammer den Antrag. Gegen die Ablehnung wandte sich der Antragsteller mit der Begründung, dass für die Entscheidung über die Zulassung seine Zulassung beim Supreme Court of New York hätte berücksichtigt werden müssen. Der AGH verwarf dieses Argument: § 226 Abs. 2 BRAO erfordere eine fünfjährige Zulassung bei einem erstinstanzlichen Gericht im Geltungsbereich der BRAO. Diese nationale Anforderung verletze auch nicht Art. 43 EG, weil sie durch die Interessen der Rechtspflege und der Rechtssuchenden an einer längeren praktischen Erfahrung der am OLG tätigen Anwälte gerechtfertigt sei. (Anm: Mit der im Dezember beschlossenen BRAO-Novelle (s.o.) entfällt die fünfjährige Wartefrist für die Zulassung zum OLG für alle Rechtsanwälte).
Europäischer Steuerberater in Steuerberatersozietät
Mit Urteil vom 26.1.2006 entschied der BGH über die Honorarklage einer Steuerberatersozietät, in der auch ein in Deutschland nicht als Steuerberater zugelassener, gleichwohl aber in Deutschland niedergelassener griechischer Staatsangehöriger Gesellschafter war. Der BGH hielt den Vertrag zwischen der Sozietät und dem Mandanten wegen Verstoßes gegen § 5 Steuerberatungsgesetz (unbefugte Hilfeleistung in Steuersachen) für nichtig. Damit eine deutsche Steuerberatersozietät einen wirksamen Vertrag schließen könne, müssten alle Gesellschafter die Befugnis zur Steuerberatung besitzen. Erfülle ein ausländischer Gesellschafter die Voraussetzungen für eine niedergelassene Berufsausübung nicht ? im Falle eines Steuerberaters durch Ablegung einer Eignungsprüfung i.S.d. Richtlinie 89/48/EG -, habe die Sozietät insgesamt nicht die Befugnis zur Steuerberatung. Eine Befugnis zur Steuerberatung ergebe sich auch nicht aus § 3 Nr. 4 StBerG, der Angehörigen eines anderen Mitgliedstaates der EU vorübergehende grenzüberschreitende Dienstleistungen in Deutschland erlaube, wenn der ausländische Gesellschafter tatsächlich in Deutschland niedergelassen sei.
Eignungsprüfung nur für Europäische Rechtsberater
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht verneinte mit Beschluss vom 8.11.2006 die Möglichkeit eines in Deutschland lebenden Flüchtlings, als in Usbekistan zugelassener Rechtsanwalt zur Eignungsprüfung nach § 16 des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland (EuRAG) zugelassen zu werden (das EuRAG hat in Deutschland die Richtlinie 98/5/EG umgesetzt): Nach § 16 Abs. 1 EuRAG könne nur ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats der EU, des EWR oder der Schweiz, der in einem dieser Staaten über einen unmittelbar die Zulassung zur Anwaltschaft ermöglichenden Qualifikationsnachweis verfügt, die Eignungsprüfung ablegen. Im Falle eines in Usbekistan qualifizierten und dort zur Anwaltschaft zugelassenen usbekischen Staatsbürgers lägen diese Voraussetzungen auch dann nicht vor, wenn er als Flüchtling in der EU lebe und in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen falle: Eine richtlinienwidrige Ungleichbehandlung läge nicht vor, da auch ein deutscher Staatsangehöriger mit usbekischer Rechtsanwaltszulassung nicht in Deutschland zur Eignungsprüfung zugelassen werden könne.
© M. Kilian 2007
2005
Rechtstatsächliches und Statistisches
Zahl der Rechtsanwälte
Am 1. Januar 2005 waren in Deutschland 132.569 Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen zugelassen; eine Steigerung von 4,6 % gegenüber dem Vorjahr. Im Vergleich zum vorangegangenen Jahr, in dem ein Anstieg von 4,4 % zu verzeichnen war, hat sich das Wachstum leicht erhöht. Die Gesamtzahl der zugelassenen Anwälte hat sich seit 1990, als 59.455 Anwälte zugelassen waren, mehr als verdoppelt. Der Anteil der Rechtanwältinnen ist von 27,8 % auf 28,6 % angestiegen. Die Zahl ausländischer Anwälte, die in Deutschland auf Grundlage der EG-Richtlinie 98/5/EG oder im Rahmen der GATS-Garantien registriert sind, stieg von 397 auf 429 Personen (+ 8 %). Die Anzahl der sog. Anwaltsnotare, die sowohl Rechtsanwälte sind als auch das Amt des Notars ausüben, ist um 2,4 % auf 7.554 Berufsträger zurückgegangen.
Zahl der Fachanwaltstitel
Ungebrochen ist der Trend zum Erwerb eines Fachanwaltstitels, der verliehen wird, wenn ?besonderer Kenntnisse und Erfahrungen? auf einem bestimmten Rechtsgebiet nachgewiesen werden. Am 1. Januar 2005 führten 15 % aller deutschen Anwälte einen Fachanwaltstitel. Der Fachanwaltstitel für Arbeitsrecht wurde bisher an 5.948 Anwälte verliehen, gefolgt von Familienrecht (5.943), Steuerrecht (3.688), Strafrecht (1.585), Verwaltungsrecht (1.145), Sozialrecht (787), Insolvenzrecht (561) und Versicherungsrecht (222). Den höchsten Zuwachs ? von 14 auf 222 - verzeichnete der im Jahr 2003 von der Satzungsversammlung eingeführte Titel ?Fachanwalt für Versicherungsrecht
Gesetzgebung und Rechtspolitik
Abschaffung des Rechtsberatungsgesetzes (RBerG)
Seit dem 14.4.2005 liegt der Referentenentwurf des Justizministeriums für eines neues Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) vor, das das seit 1935 geltende Rechtsberatungsgesetz (RBerG) ersetzen soll. Der Referentenentwurf enthält gegenüber dem Diskussionsentwurf vom September 2004 (siehe letzter Jahresbericht) nur wenige Änderungen, obwohl zahlreiche Stellungnahmen und auch heftige Kritik zu dem Diskussionsentwurf geäußert wurden. Unter anderem wird kritisiert, dass die Legaldefinition der Rechtsdienstleistung als eine Tätigkeit, die eine ?vertiefte Prüfung der Rechtslage? erfordert, zu unbestimmt sei. Dies sei umso gravierender, weil Tätigkeiten, die keine Rechtsdienstleistungen darstellten, nach dem Konzept des RDG frei von jeglicher Regulierung angeboten werden könnten. Es blieben auch zu viele Fragen im Zusammenhang mit der Haftung der Rechtsdienstleister und der Pflicht, eine Berufshaftpflichtversicherung für Schäden aus der Beratertätigkeit, abzuschließen, offen. Der Gesetzentwurf soll im Juni 2006 in das Parlament eingebracht werden.
Einführung einer Pflichtfortbildung
In der Anwaltschaft wurde eine Debatte über die Einführung einer überprüfbaren Pflichtfortbildung angestoßen. Kritisiert wird, dass die aktuell geltende, allgemeine Fortbildungspflicht des § 43a VI Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) nicht überprüfbar sei und keine Sanktionen für Verstöße vorsehe. Nur die Fachanwälte unterlägen einer überprüfbaren Pflichtfortbildung. Da in den letzten Jahren in mehreren europäischen Staaten die überprüfbare Pflichtfortbildung eingeführt wurde, stehe Deutschland auf diesem Gebiet im Zugzwang. Da das Bundesjustizministerium zu erkennen gegeben hat, keinen gesetzgeberischen Druck ausüben zu wollen, wird nunmehr angestrebt, die Anwaltschaft durch Anreize anstatt von Sanktionen zu einer überprüfbaren Fortbildung zu veranlassen. Die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) und der Deutsche AnwaltVerein (DAV) haben jeweils ein Fortbildungszertifikat geschaffen, das denjenigen Mitgliedern, die sich regelmäßig fortbilden, in Zukunft ausgestellt werden soll. Um das Zertifikat der BRAK zu erhalten, muss der Rechtsanwalt innerhalb von drei Jahren bestimmte Fortbildungspunkte sammeln. Diese können durch Seminarteilnahme, durch Prüfertätigkeit an der Universität oder im Staatsexamen, durch Eigenstudium oder Fachveröffentlichungen erworben werden. Um die Fortbildungsbescheinigung des DAV zu erhalten, müssen sechs Stunden Seminarteilnahme oder Dozententätigkeit innerhalb von zwölf Monaten nachgewiesen werden. Die Bescheinigungen können anschließend werbewirksam verwendet werden.
Der "Bologna-Prozess" und die deutsche Juristenausbildung
Zu den Auswirkungen des sog. ?Bologna-Prozesses? auf die Juristenausbildung hat sich die seit November 2005 amtierende neue Bundesregierung geäußert. Im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien wurde beschlossen, dass die Juristenausbildung mit den veränderten Anforderungen an die juristischen Berufe Schritt halten müsse. Es bestehe aber kein Bedürfnis für neue Abschlüsse, so dass die Übertragung des ?Bologna-Prozesses? auf die Juristenausbildung und somit der Ersatz der zwei Staatsexamina durch Master- und Bachelorabschlüsse abzulehnen sei. Diese Entscheidung wurde von Vertretern von Anwaltschaft und Rechtslehre begrüßt. Trotzdem wird die Diskussion über die Umsetzung des ?Bologna-Prozesses? weitergeführt. Das Ziel sei es, ohne Abstriche vom derzeitigen Niveau der Juristenausbildung eine Isolierung Deutschlands in der gesamteuropäischen Hochschullandschaft zu vermeiden. In diesem Zusammenhang wird auch der Ersatz der einheitlichen post-universitären Ausbildung (?Referendariat?), die für alle Rechtsberufe befähigen soll, durch eine spezialisierte Ausrichtung auf Anwaltschaft, Richteramt und andere Rechtsberufe diskutiert.
Neue Fachanwaltstitel
In ihrer Sitzung vom 7. Nov. 2005 hat die Satzungsversammlung, das sog. ?Anwaltsparlament?, die Einführung von zwei weiteren Fachanwaltstiteln beschlossen, die neben die bislang in §1 Fachanwaltsordnung vorgesehenen 14 Fachanwaltschaften (siehe letzter Jahresbericht) treten. Fachanwaltstitel können künftig auch für den Gewerblichen Rechtsschutz sowie für das Handels- und Gesellschaftsrecht erworben werden.
Nennung von Teilbereichen der anwaltlichen Berufspraxis zulässig
Die Satzungsversammlung der hat im Februar 2005 die §§ 6, 7 und 10 BORA (Berufsordnung für Rechtsanwälte) neu gefasst. Hierbei lag der Schwerpunkt auf der Änderung des §7 BORA, der bisher nur Angaben des Rechtsanwalts zu seinen Interessen- und Tätigkeitsschwerpunkten zuließ. Nunmehr regelt § 7 BORA allgemein die Benennung von Teilbereichen der Berufstätigkeit. Da das BVerfG in seiner Entscheidung vom 28.7.2004 (vgl. letzter Jahresbericht) die Regelung des §7 BORA als zu restriktiv angesehen hat, sieht die neue Vorschrift vor, dass der Rechtsanwalt generell Teilbereiche seiner Berufstätigkeit benennen darf, wenn er über die entsprechenden theoretischen Kenntnisse und praktische Erfahrung verfügt.
Niederlassung von neuen GATS-Rechtsanwälten
Mit Wirkung vom 1. Juni 2005 wurde der Anwendungsbereich des § 206 BRAO durch eine Rechtsverordnung erweitert (BGBl. 2005 I, S. 1452). Diese Vorschrift behandelt die Niederlassungsfreiheit ausländischer Anwälte im Rahmen der GATS-Garantien. Das Bundesjustizministerium erkennt durch Rechtsverordnung ausländische Anwaltsberufe als dem deutschen Anwaltsberuf gleichwertig an, so dass Angehörige des jeweiligen Anwaltsberufs in Deutschland niedergelassen tätig werden. Zusätzlich zu den bisher anerkannten Anwaltsberufen aus 12 Staaten wurden Anwaltsberufe aus sieben weiteren Staaten als gleichwertig anerkannt: Bolivien (?Abogado?), Israel (?Orech-Din?), Kamerun (?Avocat/ Advocate?), Mexiko (?Abogado?), Namibia (?Legal Practitioner/Advocate/Attorney?), Venezuela (?Abogado?) und die Russische Föderation (?Advokat?). Angehörige dieser ausländischen Anwaltsberufe können Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer werden, sind aber darauf beschränkt, im internationalen Recht sowie im nationalen Recht ihres Heimatstaates zu berate
Rechtsprechung
Eignungsprüfung nach dem EuRAG
In einem Beschluss vom 22.8.2005 (Az: 9 S 331/05) befasste sich der VGH Baden ? Württemberg mit den Voraussetzungen der Zulassung zur Eignungsprüfung nach dem EuRAG: Auch wenn der Antragsteller im Sinne des § 16 I EuRAG in einem Mitgliedsstaat eine Berufsausbildung abgeschlossen habe, die zum unmittelbaren Zugang zum Beruf des europäischen Rechtsanwalts berechtige (Zulassung als Solicitor in Großbritannien), sei ihm die Zulassung zur Eignungsprüfung aufgrund der Ausnahmeregelung des §16 II EuRAG zu versagen, wenn seine für den Zugang zum Beruf des Solicitor erfolgte Berufsausbildung nicht überwiegend in Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder anderen EWR-Vertragsstaaten bzw. der Schweiz stattgefunden habe, und er eine dreijährige tatsächliche und rechtmäßige Ausübung des Berufes eines europäischen Rechtsanwalts noch nicht vorweisen könne. Der Kläger hatte nach einem fünfjährigen Studium in Österreich und anschließender Zulassung als Attorney and Counselor at Law in den USA die Zulassung als Solicitor in Großbritannien nach Absolvierung des Qualified Lawyer Transfer Tests (QLTT) erhalten. Der VGH erachtete allein die für die Zulassung als Solicitor erforderliche praktische Ausbildung von zwei Jahren für maßgeblich im Sinne des §16 II EuRAG. Diese sei überwiegend in den USA und nur zu einem geringen Teil in Großbritannien erfolgt.
Rechtsanwalt im Sinne des § 62a Finanzgerichtsordnung
In einem Beschluss vom 30. Dezember 2004 (Az: II R 2/04) hat der Bundesfinanzhof klargestellt, dass ein nur in Österreich zugelassener Rechtsanwalt, der im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit ohne Einschaltung eines inländischen Einvernehmensanwalts im Sinne des Art. 5 RiLi 77/249/EWG ( = §§ 28,29 EuRAG) auftrete, kein ?Rechtsanwalt? im Sinne des § 62a Finanzgerichtsordnung und damit für die Revision nicht postulationsfähig sei. Eine über den Gesetzeswortlaut hinausgehende Belehrung des Gerichts, dass ausländische Rechtsanwälte nicht bzw. nur unter besonderen Voraussetzungen postulationsfähig sind, sei nicht erforderlich.
Verfassungsbeschwerde gegen das Verbot von Erfolgshonorarvereinbarungen eingereicht
Vor dem Bundesverfassungsgericht ist eine Verfassungsbeschwerde (Az: 1 BvR 2576/04) gegen das Verbot von Erfolgshonorarvereinbarungen (§49b II BRAO) erhoben worden. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin stelle das Verbot einen ungerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit dar. Für das Verbot wird traditionell angeführt, dass es den Interessen der Allgemeinheit diene, indem es das Vertrauen der Rechtssuchenden in die Unabhängigkeit und Integrität der Rechtsanwälte stärke. Bundesrechtsanwaltskammer und Deutscher Anwaltverein haben in Stellungnahmen gegenüber dem Bundesverfassungsgericht die Auffassung geäußert, dass das uneingeschränkte Verbot des Erfolgshonorars verfassungswidrig sei.
Führen von maximal zwei Fachanwaltsbezeichnungen zulässig
In einem Beschluss vom 13. Oktober 2005 (Az: 1 BvR 1188/05) hat das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung des Führens von maximal zwei Fachanwaltsbezeichnungen (§ 43c Abs. 1 Satz 3 BRAO) bestätigt. Im Interesse des Vertrauens der Öffentlichkeit in die besondere Qualifikation der Fachanwälte sei es auch im Hinblick auf die Berufsfreiheit geeignet, erforderlich und zumutbar, die Zahl der geführten Fachanwaltstitel zu beschränken. Nur so sei gewährleistet, dass der Fachanwalt sich auf seinen Fachgebieten intensiv betätige und seine Kenntnisse und Erfahrungen erweitere. Gegenwärtig gibt es für 16 Rechtsgebiete Fachanwaltsbezeichnungen.
Ausübung des Rechtsanwaltsberufes in einer Aktiengesellschaft
Der Bundesgerichtshof hat mit einem Beschluss vom 10. Januar 2005 (Az.: AnwZ(B) 27/03) entschieden, dass Rechtsanwälte ihren Beruf auch in einer Aktiengesellschaft ausüben dürfen. Die Aktiengesellschaft kann als Anwaltsgesellschaft zugelassen werden und übt dann als juristische Person den Anwaltsberuf aus. Bislang war dies nur für eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung möglich, für die es seit 1999 gesetzliche Regelungen gibt. Gesellschafter und Aufsichtsräte der Aktiengesellschaft, deren Unternehmensgegenstand ausschließlich die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten sein darf, dürfen nur Rechtsanwälte oder Angehörige anderer sozietätsfähiger Berufe (Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Patentanwälte) sein. Die Gesellschafter müssen in der Aktiengesellschaft aktiv ihren Beruf ausüben, bloße Kapitalbeteiligungen sind unzulässig.
Anwaltliche Werbung mit anderen Berufsgruppen
Mit Beschluss vom 25. Juli 2005 (Az.: Anw(Z) 42/04) hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass Rechtsanwälte werbend auch auf eine Kooperation mit Angehörigen von Berufen hinweisen dürfen, mit denen sie keine interprofessionelle Berufsausübungsgesellschaft bilden dürfen. Diese Entscheidung ermöglicht es Rechtsanwälten künftig, auf Briefbögen, sonstigen Drucksachen oder in Anzeigen auf Kooperationen z.B. mit Ärzten, Ingenieuren, Architekten hinzuweisen.
Angemessenheit von Vergütungsvereinbarungen
In einem Urteil vom 27. Januar 2005 (Az: IX ZR 273/02) hat sich der Bundesgerichtshof mit der Angemessenheit einer vereinbarten Vergütung befasst. Gem. § 4 Abs. 4 RVG kann der Richter eine vereinbarte Vergütung, die unter Berücksichtigung aller Umstände unangemessen hoch ist, herabsetzen. Wenn ein Rechtsanwalt mit seinem Mandanten eine Vergütung vereinbart, die mehr als das Fünffache der Gebühren des staatlichen Tarifgesetzes beträgt, gilt nach Ansicht des BGH eine Vermutung, dass es sich um eine unangemessen hohe Vergütung handele. Diese Vermutung könne der Rechtsanwalt entkräften, indem er ganz ungewöhnliche Umstände darlege, die die Vergütung nicht als unangemessen hoch erscheinen ließen.
2004
Rechtstatsächliches und Statistisches
Zahl der Rechtsanwälte
Am 1. Januar 2004 waren in Deutschland 126.793 Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen zugelassen; eine Steigerung von 4,4 % gegenüber dem Vorjahr. Im Vergleich zum vorangegangenen Jahr, in dem ein Wachstum von ebenfalls 4,4 % zu verzeichnen war, hat sich das Wachstum stabilisiert. Die Gesamtzahl der zugelassenen Anwälte hat sich jedoch seit 1990, als 59.455 Anwälte zugelassen waren, mehr als verdoppelt. Der Anteil der Rechtanwältinnen ist von 26,8 % auf 27,8 % angestiegen. Die Zahl ausländischer Anwälte, die in Deutschland auf Grundlage der EU-Richtlinie 98/5/EG oder im Rahmen der GATS-Garantien registriert sind, stieg von 371 auf 379 Personen (+ 7 %). Die Anzahl der sog. Anwaltsnotare, die sowohl Rechtsanwälte sind als auch das Amt des Notars ausüben, ist um 7,48 % auf 7.739 Berufsträger zurückgegangen.
Zahl der Fachanwaltstitel
Der Trend zum Erwerb eines Fachanwaltstitels setzte sich fort. Voraussetzung für die Verleihung eines solchen Titels ist der Nachweis ?besonderer Kenntnisse und Erfahrungen? auf dem fraglichen Rechtsgebiet. Zum 1. Januar 2004 führten 14,53 % aller deutschen Anwälte einen Fachanwaltstitel. Der Fachanwaltstitel für Familienrecht wurde bisher an 5.648 Anwälte verliehen, gefolgt von Arbeitsrecht (5446), Steuerrecht (3570), Strafrecht (1456), Verwaltungsrecht (1111), Sozialrecht (733) und Insolvenzrecht (446). Den höchsten Zuwachs verzeichnete mit 19,57 %, wenngleich auf einem relativ bescheidenen Niveau, der ?Fachanwalt für Insolvenzrecht?. Den im Jahr 2003 von der Satzungsversammlung eingeführten Fachanwaltstitel für Versicherungsrecht erwarben bislang 14 Rechtsanwälte.
Zahl der europäischen Rechtsanwälte
Nach der letzten veröffentlichten Statistik (Dezember 2003) sind in der Bundesrepublik Deutschland 196 registrierte europäische Rechtsanwälte im Sinne des Art. 2 I RiLi 98/5/EG niedergelassen, der im deutschen Recht in § 2 I EuRAG umgesetzt worden ist. Diese sind in folgenden Mitgliedsstaaten der EU als Rechtsanwalt zugelassen: Großbritannien (55), Spanien (35), Griechenland (33), Italien (26), Frankreich (22), Österreich (8), Belgien (3), Schweden (3), Dänemark (2), Luxemburg (2), Portugal (2), Schweiz (2), Finnland (1), Irland (1) und Niederlande (1). Darüber hinaus sind 134 ausländische Rechtsanwälte nach Maßgabe der Gewährleistungen des GATS in Deutschland niedergelassen. § 206 BRAO behandelt die Niederlassungsfreiheit solcher ausländischen Anwälte in Deutschland im Rahmen der GATS-Garantien. Das Bundesministerium der Justiz erkennt durch Rechtsverordnung ausländische Anwaltsberufe als dem deutschen Anwaltsberuf gleichwertig an; erst nach einer solchen Anerkennung können Angehörige des jeweiligen Anwaltsberufs in Deutschland niedergelassen tätig werden, soweit sie nicht die weitergehenden Freizügigkeitsrechte der RiLi 77/249/EWG, 89/48/EG und 98/5/EG beanspruchen können (eine vollständige Liste der bislang anerkannten ausländischen Anwaltsberufe enthält der Jahresbrief des letzten Jahres). Von den 134 in Deutschland niedergelassenen ?GATS-Anwälten? stammen 84 aus den USA, 26 aus der Türkei, 5 aus Neuseeland, je 3 aus Argentinien und Brasilien sowie je einer aus Australien, Indien, Kroatien, Rumänien und Südafrika. Nach § 206 BRAO in Deutschland niedergelassene Rechtsanwälte aus Polen (6) und Ungarn (2) können sich nach dem Beitritt ihrer Heimatländer zur Europäischen Union mittlerweile als niedergelassene europäische Rechtsanwälte i.S.d. RiLi 98/5/EG registrieren lassen und weitergehende Befugnisse in Anspruch nehmen.
Gesetzgebung und Rechtspolitik
Entwurf zu einem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG)
Das Bundesministerium der Justiz hat im September 2004 den ersten Entwurf (Diskussionsentwurf) für ein zukünftiges Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) veröffentlicht. Das neue RDG soll das geltende Rechtsberatungsgesetz aus dem Jahr 1935 aufheben und ersetzen. Der Entwurf ist von einer Bestrebung nach Deregulierung und Entbürokratisierung geprägt. Es sind unmittelbar nur die außergerichtlichen Rechtsdienstleistungen durch das RDG betroffen, das gerichtliche Anwaltsmonopol soll grundsätzlich bestehen bleiben. Es soll lediglich die Prozessvertretung durch Familienangehörige, durch Beschäftigte der Prozesspartei und durch unentgeltlich tätige Volljuristen erlaubt werden, wofür die jeweiligen Prozessordnungen angepasst werden sollen. Erklärtes Ziel des Gesetzes ist es, trotz der Ablösung des anwaltlichen Rechtsberatungsmonopols die Rechtssuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierter Rechtsberatung und Rechtsbesorgung durch eine Regulierung von Rechtsdienstleistungen zu schützen. Alle Tätigkeiten, die nicht unter den durch das Gesetz definierten Begriff der Rechtsdienstleistung fallen, können frei von jeglicher Regulierung angeboten werden, auch wenn sie einen rechtlichen Bezug aufweisen. Die Regulierung der Rechtsdienstleistung erfolgt mit Hilfe einer Registrierung. Von der Pflicht zur Registrierung sind lediglich Rechtsanwälte ausgenommen. Außer Rechtsanwälten dürfen nur registrierte Personen ? in einigen wenigen Rechtsgebieten - entgeltliche Rechtsdienstleistungen erbringen. Ohne Registrierung sind nur die unentgeltliche Beratung und die Tätigkeit von Berufsvereinigungen, Interessenvereinigungen, Genossenschaften und anderen öffentlich anerkannten Stellen möglich. Der Entwurf wird zurzeit intensiv diskutiert und ist heftiger Kritik der Anwaltschaft ausgesetzt. Der Entwurf kann abgerufen werden unter http://www.anwaltverein.de/01/depesche/texte04/RDG.pdf.
Entwurf zu einem Gesetz zur Stärkung der Selbstverwaltung der Rechtsanwaltschaft
Im November 2004 hat der Bundesrat auf Initiative der Hessischen Landesregierung einen Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Selbstverwaltung der Rechtsanwaltschaft im Bundestag eingereicht. Der Gesetzesantrag sieht Änderungen der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) vor: Alle im Zusammenhang mit der Zulassung zur Anwaltschaft, ihrer Rücknahme und ihrem Widerruf stehenden Aufgaben und Befugnisse und die Vereidigung der neuen Rechtsanwälte sollen durch Gesetz den Rechtsanwaltskammern zugewiesen werden. Bereits bisher haben die Landesjustizverwaltungen Teile dieser Aufgaben an die Rechtsanwaltskammern delegiert. Darüber hinaus wird die Abschaffung der Zulassung bei einem Gericht gefordert, da die Rechtsanwälte bereits seit dem Jahr 2000 nicht nur bei ihrem Zulassungsgericht auftreten dürfen. Daher sei die Lokalisation der Zulassung überholt. Als letzten Regelungspunkt sieht der Vorschlag die Befugnis für die Rechtsanwaltskammern vor, Dritten Auskunft über die Haftpflichtversicherung eines Rechtsanwalts zu erteilen. Diese Regelung soll geschädigten Mandanten zugutekommen, die im Fall einer Zahlungsunfähigkeit oder Auskunftsverweigerung des Rechtsanwalts auf diese Information angewiesen sind.
Die Bologna-Reform und die deutsche Juristenausbildung
Eine intensive Diskussion hat sich im Jahr 2004 über die Umsetzung der Vorgaben des europaweiten sog. ?Bologna-Prozesses? für die Juristenausbildung in Deutschland ergeben. Bislang erwerben Juristen ihre Berufsqualifikation in Deutschland nicht durch einen Universitätsgrad, sondern durch zwei staatliche Examina, die von staatlichen Justizbehörden abgenommen werden, sowie eine vom Staat finanzierte zweijährige berufspraktische Zusatzausbildung. Das deutsche Ausbildungssystem für Juristen ist nicht auf Bachelor- und Masterabschlüsse ausgerichtet, so dass die Umsetzung der Vorgaben des Bologna-Prozesses gegenwärtig erhebliche Probleme bereitet und für große Unsicherheit sorgt.
Inkrafttreten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG)
Am 1. Juli 2004 ist das neue Gesetz zur anwaltlichen Vergütung (?Rechtsanwaltsvergütungsgesetz?, RVG), das die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) ersetzt, in Kraft getreten. Das RVG behält verbindliche Mindestgebühren für gerichtliches Tätigwerden bei, die auch für die Kostenerstattung maßgeblich sind, sieht jedoch zahlreiche Detailänderungen in unterschiedlichen Bereichen der anwaltlichen Tätigkeit vor. Es schreibt auch vor, dass ab 1.7.2006 die Vergütung von nicht-forensischer beratender Tätigkeit vollständig dereguliert wird. Vereinbaren Rechtsanwalt und Mandant keine Vergütung, gibt es ab 1.7.2006 keine subsidiär geltenden Regelungen im Tarifgesetz mehr, nach denen sich das Anwaltshonorar berechnet.
Beschluss neuer Fachanwaltstitel
In ihrer Sitzung vom 22./23. Nov. 2004 hat die Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer, das sog. ?Anwaltsparlament?, die Einführung sechs weiterer Fachanwaltschaften beschlossen, die neben die bislang vorgesehenen acht Fachanwaltschaften (s.o.) treten. Der Erwerb eines Fachanwaltstitels setzt den Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse und praktischer Erfahrungen in einem bestimmten Rechtsgebiet voraus. Fachanwaltstitel können künftig auch erworben werden für das Medizinrecht, Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Verkehrsrecht, Bau- und Architektenrecht, das Erbrecht sowie das Transport- und Speditionsrecht. Ein Rechtsanwalt darf maximal zwei solcher Fachanwaltstitel gleichzeitig führen.
Aufhebung des § 9 Abs. 2 und 3 BORA
Im April 2004 wurde § 9 Abs. 2 und 3 BORA (Berufsordnung für Rechtsanwälte), die die Kurzbezeichnung einer Anwaltskanzlei regelt, gestrichen. Damit ist es nicht länger notwendig, dass die Kanzleibezeichnung ausschließlich aus den Namen von in der Kanzlei früher oder aktuell tätigen Rechtsanwälten besteht. Künftig sind auch Phantasie- und Sachbezeichnungen zulässig.
Rechtsprechung
Bezeichnung als "Spezialist" zulässig
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in einer Entscheidung vom 28. Juli 2004 die Verwendung der von einem Rechtsanwalt selbst gewählten Bezeichnung ?Spezialist für Verkehrsrecht? als zulässig beurteilt. Einem Rechtsanwalt war dies von der Anwaltskammer verboten worden, weil § 7 I BORA vorsieht, dass Rechtsanwälte nur den Fachanwaltstitel sowie Interessen- und/oder Tätigkeitsschwerpunkte führen dürfen. Das BVerfG sieht diese Bestimmungen der Berufsordnung als zu restriktiv an. Sofern zutreffende Angaben über die spezielle Qualifikation des Anwalts in sachlicher Form erfolgten und nicht irreführten, müssen sie aufgrund des Verfassungsgrundsatzes der Berufsausübungsfreiheit zulässig sein.
Bestrafung wegen Geldwäsche
Mit Beschluss vom 30.3.2004 hat das BVerfG entschieden, dass ein Rechtsanwalt wegen Geldwäsche (§ 261 StGB) nur bestraft werden kann, wenn er im Zeitpunkt der Annahme des Honorars sichere Kenntnis von dessen illegaler Herkunft hatte. Um der besonderen Situation des Strafverteidigers Rechnung zu tragen, gilt der Geldwäscheparagraph somit für Rechtsanwälte nur eingeschränkt, um das Vertrauensverhältnis zum Mandanten und die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht zu schützen.
Ahndung von Berufsrechtsverstößen mit Hilfe des Wettbewerbsrechts
Mit einem Beschluss vom 26.10.2004 hat das BVerfG eine alte Diskussion beendet, ob Berufskammern das Recht haben, Berufsrechtsverstöße ihrer Mitglieder (z.B. unerlaubte Anwaltswerbung) mit Hilfe des Wettbewerbsrechts zu unterbinden. Nach der Entscheidung des BVerfG ist ein Vorgehen nach Wettbewerbsrecht auch dann zulässig, wenn die Kammer berufsrechtliche Maßnahmen ergreifen könnte. In dem zugrundeliegenden Fall hatte eine Kammer auf Unterlassung einer großflächigen Werbung auf Straßenbahnen geklagt. Die Zulässigkeit einer solchen Klage wurde vom BVerfG bejaht, wenngleich es die beanstandete Werbung wegen der Reichweite des Grundrechts der Berufsfreiheit als zulässig ansah.
Beschluss des OLG München zur EuGH-Entscheidung "AMOK"
Das OLG München hat mit Beschluss vom 11.3 2004 das Verfahren, das zur AMOK-Entscheidung des EuGH (C-289/02) vom 11.12.2003 geführt hatte, abgeschlossen. Nach dem Beschluss des OLG München muss eine unterliegende Prozesspartei dem Gegner, der vor dem deutschen Gericht durch einen ausländischen dienstleistenden Rechtsanwalt i.S.d. Art. 4 I RiLi 77/249/EWG vertreten wird, für den ausländischen Rechtsanwalt nur die Kosten ersetzen, die für die Tätigkeit eines deutschen Rechtsanwalts nach dem deutschen Rechtsanwaltstarifgesetz angefallen wären. Zusätzlich muss die unterlegene Prozesspartei auch die Kosten des deutschen Einvernehmensanwalts i.S.d. Art. 5 RiLi 77/249/EWG erstatten. Bislang lehnten die deutschen Gerichte eine Pflicht zur Erstattung der Kosten des Einvernehmensanwalts überwiegend ab.
Beschluss des OLG Stuttgart zur EuGH-Entscheidung "AMOK"
Das OLG Stuttgart hat unter Hinweis auf die AMOK-Entscheidung des EuGH (C-289/02) in einem Beschluss vom 20.4.2004 entschieden, dass Mehrkosten einer ausländischen Partei, die durch die Einschaltung eines zusätzlich zu ihrem deutschen Prozessbevollmächtigten in ihrem Heimatstaat beauftragten, weiteren Rechtsanwalts entstehen, nur in der Höhe erstattungsfähig sind, die bei Einschaltung von zwei Rechtsanwälten in Deutschland nach dem deutschen Tarifgesetz (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) zugebilligt werden. Der prozessuale Erstattungsanspruch des deutschen Rechts dürfe nicht von den Begrenzungen getrennt werden, die das deutsche Kostenrecht zum Schutz des erstattungspflichtigen Gegners entwickelt habe. Bislang haben die deutschen Gerichte die Erstattungsfähigkeit der Kosten des weiteren, ausländischen Rechtsanwalts überwiegend nicht als durch das deutsche Tarifgesetz begrenzt angesehen und auch über das Tarifgesetz hinausgehende Vergütungsansprüche ausländischer Rechtsanwälte akzeptiert.
2003
Rechtstatsächliches und Statistisches
Zahl der Rechtsanwälte
Am 1. Januar 2003 waren in Deutschland 121.420 Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen zugelassen; eine Steigerung von 4,4 % gegenüber dem Vorjahr. Im Vergleich zum vorangegangenen Jahr, in dem ein Wachstum von 5,4 % zu verzeichnen war, hat sich das Wachstum erneut verlangsamt. Die Gesamtzahl der zugelassenen Anwälte hat sich jedoch seit 1990, als 59.455 Anwälte zugelassen waren, mehr als verdoppelt. Der Anteil der Rechtanwältinnen ist von 26,1 % auf 26,8 % angestiegen. Die Zahl ausländischer Anwälte, die in Deutschland auf Grundlage der EU-Richtlinie 98/5/EG oder im Rahmen der GATS-Garantien registriert sind, stieg von 293 auf 371 Personen (+ 27%). Die Anzahl der sogenannten Anwaltsnotare, die sowohl Rechtsanwälte sind als auch das Amt des Notars ausüben, ist um 4,54 % auf 8.763 Berufsträger zurückgegangen.
Zahl der Fachanwaltstitel
Am 20.März 2003 beschloss die von den Berufsangehörigen gewählte Satzungsversammlung, die bestehenden Fachanwaltschaften um eine Fachanwaltschaft für Versicherungsrecht zu erweitern. Voraussetzung für die Führung des Fachanwaltstitels ist die Erbringung eines Nachweises über überdurchschnittliche theoretische Kenntnisse im Versicherungsrecht und praktische Erfahrungen in mindestens 80 versicherungsrechtlichen Fällen. Der Trend zum Erwerb eines Fachanwaltstitels setzte sich im Jahr 2003 fort. Zum 1. Januar 2003 führten 13,95 % aller deutschen Anwälte einen Fachanwaltstitel. Der Fachanwaltstitel für Familienrecht wurde bisher an 5126 Anwälte verliehen, gefolgt von Arbeitsrecht (5000), Steuerrecht (3391), Strafrecht (1326), Verwaltungsrecht (1044), Sozialrecht (673) und Insolvenzrecht (373). Den höchsten Zuwachs verzeichnete mit 39,18 %, wenngleich auf einem relativ bescheidenen Niveau, der ?Fachanwalt für Insolvenzrecht?.
Jahreseinkommen von Rechtsanwälten
Im Jahr 2003 veröffentlichte Studien des Instituts für Freie Berufe (IFB) zeigten, dass die wirtschaftliche Situation der deutschen Berufsträger zunehmend schwierig wird. Im Jahr 2001 sank das durchschnittliche Jahreseinkommen vollzeitbeschäftigter Einzelanwälte um 9,1 % auf 41.000 ? - 1995 betrug das durchschnittliche Jahreseinkommen noch 63.000 ?. Ähnlich schwierig ist die Lage für Partner in großen, bundesweit tätigen Sozietäten. Ihr Pro-Kopf-Einkommen lag mit 193.000 ? im Jahr 2001 bei nur 56,4 % des höchsten, im Jahr 1993 erzielten Einkommens (die Angaben beziehen sich nur auf die Anwälte in den 11 westdeutschen Bundesländern).
Gesetzgebung und Rechtspolitik
Änderung des EuRAG
Das EuRAG, das die EU-Richtlinien 77/249, 89/48 und 98/5 umgesetzt hat, wurde am 26.Oktober 2003 geändert (BGBl. I 2003, 2074). Es erfasst nunmehr auch die schweizerischen Rechtsanwälte und enthält Regelungen für die aus den EU-Beitrittskandidaten stammenden Rechtsanwälte aus der Tschechischen Republik, der Slowakei, Polen, Estland, Lettland, Litauen, Ungarn, Malta, Slowenien und Zypern. Das Gesetz bestimmt für Rechtsanwälte aus diesen Staaten regionale deutsche Anwaltskammern, die für diese Rechtsanwälte bei Tätigkeit nach Maßgabe der Richtlinie 77/249/EWG in Deutschland zuständig sind. Des weiteren setzt das Gesetz die EU-Richtlinie 2001/19/EG um, welche die Mitgliedstaaten zwingt, die Ausführungen des EuGH in der Vlassopolou-Entscheidung zu berücksichtigen. Aufgrund dieser neuen gesetzlichen Regelungen im EuRAG werden Bewerber, die sich in Deutschland aufgrund der Niederlassungsrichtlinie 89/48 niederlassen möchten, von einem Eignungstest befreit, sofern sie nachweisen können, dass sie durch ihre Ausbildung und berufliche Erfahrung über ausreichende Kenntnisse im deutschen Recht verfügen (http://217.160.60.235/BGBL/bgbl1f/bgbl103s2074.pdf).
Erweiterung der GATS-Rechtsanwälte
Mit Wirkung vom 11. August 2003 wurde der Anwendungsbereich des § 206 BRAO durch eine Rechtsverordnung erweitert (BGBl. 2003 I, S. 1671). Diese Vorschrift der BRAO behandelt die Niederlassungsfreiheit ausländischer Anwälte in Deutschland im Rahmen der GATS-Garantien. Das Bundesjustizministerium erkennt durch Rechtsverordnung ausländische Anwaltsberufe als dem deutschen Anwaltsberuf gleichwertig an; erst nach einer solchen Anerkennung können Angehörige des jeweiligen Anwaltsberufs in Deutschland niedergelassen tätig werden. Zusätzlich zu den bisher anerkannten Anwaltsberufen aus den USA (?Attorney-at-law""), Japan (?Bengoshi"), Neuseeland (?Barrister", ?Solicitor"), Ungarn (?Ügyved"), Argentinien (?Abogado"), Brasilien (?Advogado"), Polen (?Adwokat", und ?Radca Prawny?), Türkei (?Avukat") und Indien (?Advocate?) kamen dreizehn weitere Staaten hinzu: Australien (?Barrister?, ?Solicitor?, ?Legal Practitioner?), Estland (?Vandeadvokaat?), Kanada (?Barrister?, ?Solicitor?), Kroatien (?Odvjetnik?), Lettland (?Zverinats Advokats?), Litauen (?Advokatas?), Malta (?Advukat?, ?Prokurator Legali?), Rumänien (?Advokat?), Slowakei (?Advokat?, ?Komercný Právnik?), Slowenien (?Odvetnik?, ?Odvetnica?), Südafrika (?Attorney/Prokureur", ?Advocate/Advokaat?), Tschechische Republik (?Advokát?) und Zypern (?Dikigoros?). Angehörige dieser ausländischen Anwaltsberufe können Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer werden, sind aber darauf beschränkt, im internationalen Recht sowie im nationalen Recht ihres Heimatstaates zu beraten. Im Zuge des Prüfungsvorgangs verweigerte das Bundesjustizministerium den Berufen aus China und Mexiko die Anerkennung als mit dem deutschen Anwaltsberuf gleichwertig.
Reform der Juristenausbildung in Kraft getreten
Am 1. Juni 2003 trat das neue Gesetz zur Reform der Juristenausbildung in Kraft. Die Universitäten sind nun angehalten, neben theoretischem Wissen sog. "Schlüsselqualifikationen" (?soft skills?) zu unterrichten. Darüber hinaus muss die Ausbildung der anwaltlichen Berufspraxis mehr Berücksichtigung schenken und die Herangehensweise eines Rechtsanwalts an ein Rechtsproblem stärker schulen. Die Ausbildung in der postgraduierten Phase legt einen größeren Schwerpunkt auf die anwaltliche Tätigkeit als auf die Tätigkeit eines Richters, an der sich die Ausbildung deutscher Nachwuchsjuristen seit Jahrhunderten orientierte. Während des zweijährigen Referendariats müssen die Referendare nunmehr mindestens neun - an Stelle der früher vorgesehenen vier Monate - in einer Rechtsanwaltskanzlei verbringen. Die regionalen Rechtsanwaltskammern bieten mittlerweile Einführungskurse im Bereich des Berufsrechts, der anwaltlichen Berufspraxis und anwaltlicher Fertigkeiten an.
Regulierung der anwaltlichen Vergütung in Zukunft durch RVG
Im November 2003 hat die Bundesregierung das neue Gesetz zur anwaltlichen Vergütung (?Rechtsanwaltsvergütungsgesetz?, RVG) in den Bundestag eingebracht, welches die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) zum 1. Juli 2004 ersetzen wird. Das RVG behält verbindliche Mindestgebühren für gerichtliches Tätigwerden bei, sieht jedoch zahlreiche Detailänderungen in unterschiedlichen Bereichen der anwaltlichen Tätigkeit vor. Es schreibt auch vor, dass mit Wirkung vom 1. Juli 2006 die Vergütung von nicht-forensischer beratender Tätigkeit vollständig dereguliert wird, so dass zu diesem Termin alle Regelungen diesbezüglich aufgehoben werden (der Entwurf ist abrufbar unter http://www.brak.de/seiten/pdf/Gesetzesentwuerfe/RegEKostRMoG_6.11.pdf).
Keine Gewerbesteuerpflicht für Rechtsanwälte
Die Pläne der Bundesregierung, Rechtsanwälte und andere Freiberufler gewerbesteuerpflichtig zu machen, wurden nach heftigem Widerstand des Berufsstands und einer hitzigen rechtspolitischen Debatte aufgegeben. Da Rechtsanwälte kein Gewerbe, sondern eine freiberufliche Tätigkeit ausüben, unterfallen sie nach herkömmlicher Auffassung nicht der Gewerbesteuer. Die Bundesregierung war aufgrund der bestehenden Budgetknappheit daran interessiert, zusätzliche Steuereinnahmen zu erzielen, und schien somit bereit, die traditionelle Unterscheidung zwischen Gewerbetreibenden und Freiberuflern aufzugeben.
Stellungnahme von Prof. Dr. Martin Henssler und Dr. Matthias Kilian zur IHS-Studie
Eine Studie des Wiener Forschungsinstituts für Höhere Studien (IHS) über die Regulierung freier Berufe in der Europäischen Union, welche von der Europäischen Kommission in Auftrag gegeben wurde, wurde in Deutschland kontrovers diskutiert. Im Auftrag der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) und des Deutschen Anwaltvereins (DAV) bereiteten Prof. Dr. Martin Henssler und Dr. Matthias Kilian seitens des Dokumentationszentrums für Europäisches Anwalts - und Notarrecht eine Stellungnahme vor, die zahlreiche Befunde des Wiener Instituts für Höhere Studien als auf falschen Informationen oder Schlussfolgerungen basierend kritisiert. Es besteht in Deutschland ein weitgehender Konsens darüber, dass die Europäische Kommission Schwierigkeiten hat, die Rechtsnatur der deutschen Form der anwaltlichen Selbstregulierung sachgerecht einzuordnen. Die Stellungnahme, die bei der Europäischen Kommission eingereicht wurde, versucht zu verdeutlichen, weshalb ein direkter Vergleich der Regulierung der freien Berufe in der Europäischen Union kaum durchführbar ist (die Stellungnahme ist abrufbar über die Webseite des DAV http://anwaltverein.de/downloads/europa-im-ueberblick/2003/eiu-33-2003.pdf).
Rechtsprechung
Verfassungswidrigkeit von § 3 (2) BORA
Das Bundesverfassungsgericht hat am 3. Juli 2003 seine seit längerem erwartete Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit einer berufsrechtlichen Regelung, die Anwälte einer Sozietät vom Tätigwerden disqualifizierte, verkündet. § 3 (2) der Berufsordnung sah vor, dass ein Anwalt einer Sozietät von der Vertretung eines Mandanten ausgeschlossen war, wenn ein anderer Anwalt der Sozietät bereits zuvor widerstreitende Interessen eines anderen Mandanten in derselben oder einer verknüpften Angelegenheit vertreten hatte. Das Bundesverfassungsgericht vertritt die Auffassung, dass die Regelung verfassungsrechtlich garantierte Rechte der Rechtsanwälte verletze, wenn die betroffenen Anwälte nicht mit den in Rede stehenden Fällen befasst sind und auch im übrigen über keine relevanten Kenntnisse aus dem Kollisionsmandat verfügen. Die Entscheidung setzt der auf die gesamte Sozietät bezogenen Disqualifizierung bei Kollisionsmandaten ein Ende und betont die Bedeutung von tatsächlichen, fallbezogenen Kenntnissen auf Seiten der an den Kollisionsmandaten arbeitenden Anwälte (BVerfG Entscheidung 1 BvR 238/01).
Weg frei für Rechtsanwallts-GbR
Nach dem bahnbrechenden Urteil des Bundesgerichtshof (BGH) zur Rechtsnatur der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ? der häufigsten Form von anwaltlichen Zusammenschlüssen in Deutschland ? folgte am 7. April 2003 ein weiteres Urteil, das eine Bedeutung für Rechtsanwälte, die in einer GbR organisiert sind, haben wird. Der Bundesgerichtshof entschied, dass neue Mitglieder einer GbR für Verbindlichkeiten haften, die vor ihrem Eintritt in die Gesellschaft entstanden sind. Obwohl der Bundesgerichtshof hierbei nicht ausdrücklich auf eine Rechtsanwalts-GbR Bezug nahm, gibt es kaum einen Zweifel daran, dass dieses Urteil auf eine GbR unter Beteiligung von Rechtsanwälten übertragbar ist (BGH II ZR 56/02).
Keine Anerkennung als europäischer Rechtsberater
Am 19. September 2003 entschied der Bundesgerichtshof, dass ein in Großbritannien lebender Deutscher, der nicht die vollständige Qualifikation zur Zulassung zur deutschen Rechtsanwaltschaft erworben hat, sondern in New York als Attorney-at-Law zugelassen ist, weder als deutscher ?Rechtsanwalt? zugelassen werden, noch aufgrund der Richtlinie 98/5/EC als niedergelassener europäischer Anwalt tätig werden kann. Der Bundesgerichtshof stellte ebenfalls fest, dass der Anwalt sich nicht auf eine Teilnahme an einem in der Richtlinie 77/249/EC vorgesehenen Eignungstest berufen kann, wenn er nicht den größten Teil seiner juristischen Ausbildung in der EU erhalten hat. Gemäß § 206 BRAO kann sich der Attorney-at-Law jedoch unter dieser Bezeichnung in Deutschland niederlassen und im internationalen bzw. amerikanischen Recht beraten.
Gerichtszuständigkeit bei ausstehender Vergütung
Mit einem Urteil vom 11. November 2003 setzte der Bundesgerichtshof einer der in den letzten Jahren am meisten diskutierten Kontroversen im Bereich der anwaltlichen Berufsausübung ein Ende. Der BGH entschied, dass im Falle eines gerichtlichen Vorgehens eines Rechtsanwalts gegen seinen Mandanten aufgrund ausstehender Vergütungen nur das Gericht des Wohnorts des Mandanten zuständig ist. In der Vergangenheit hatten einige Instanzgerichte die Auffassung vertreten, dass ein Rechtsanwalt auch das Gericht des Sitzes der Rechtsanwaltskanzlei wählen könne. (BGH X ARZ 91/03).
Umgehung des § 49b BRAO
In einem Urteil vom 5.November 2002 vertrat das Berliner Kammergericht (das Kammergericht entspricht den Oberlandesgerichten in anderen Gerichtsbezirken) die Auffassung, dass ein Anwalt nicht das Verbot von Erfolgshonoraren umgehen kann, indem er eine Gesellschaft gründet, die Mandanten die Prozessführung gegen einen Anteil an der erfolgreich erstrittenen Summe vorfinanziert. Eine solche Vereinbarung sei eine unzulässige Umgehung von § 49b BRAO, der anwaltliche Erfolgshonorare verbietet, so dass ein solcher Vertrag wegen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot nichtig sei (KG 13 U 3/02).
2002
Rechtstatsächliches und Statistisches
Zahl der Rechtsanwälte
Am 1. Januar 2002 waren in Deutschland 116.305 Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen zugelassen; eine Steigerung von 5,4 % gegenüber dem Vorjahr. Im Vergleich zu vorangegangenen Jahren, in denen ein Wachstum von bis zu 9 % zu verzeichnen war, hat sich das Wachstum verlangsamt. Der Anteil der Rechtanwältinnen ist von 25,3% auf 27,1 % angestiegen; bei den Neuzulassungen sind bereits 39 % aller Rechtsanwälte weiblichen Geschlechts.
Ausländische Rechtsanwälte
Die Zahl ausländischer Anwälte, die in Deutschland auf Grundlage der EU-Richtlinie 98/5/EG oder im Rahmen der GATS-Garantien registriert sind, stieg von 183 auf 293 Personen (+ 60%). Dieser starke Anstieg ist hauptsächlich Resultat der Tatsache, dass zahlreiche ausländische Anwälte, die bereits seit längerer Zeit in Deutschland unter ihrem Heimattitel tätig sind, sich nunmehr nach Maßgabe der EU-Richtlinie 98/5/EG registrieren lassen.
Einkommen der Anwaltschaft
Das starke Wachstum der deutschen Anwaltschaft während des letzten Jahrzehnts ? die Zahl der Anwälte hat sich von 63. 786 (1992) auf 116.305 (2002) fast verdoppelt, ? hat sich negativ auf das durchschnittliche Einkommen der Rechtsanwälte ausgewirkt. Im Jahr 2000 (neueste zugängliche Daten) betrug das durchschnittliche Jahreseinkommen vollzeitbeschäftigter Einzelanwälte in Westdeutschland 114.700 ? (verglichen mit 1995 : - 26,4 %), und 118.300 ? in Ostdeutschland (frühere DDR). Partner in kleinen, lokalen Sozietäten verzeichneten ein Einkommen von 151.000 ? bzw. 125.400 ? (im Vergleich zu 1997: -20,5% / -12,2%). Partner in großen, bundesweit tätigen Sozietäten verdienten jeweils 237.071 ? bzw. 169.500 ? (verglichen mit 1995: -54% / -28,8%). Im Jahr 2000 lag der Gewinn bei Einzelanwälten um 15,1%, bei Partnern in kleinen Kanzleien um 8 % und bei Partnern in Großkanzleien um 44,7% niedriger als im Jahr 1993.
Gesetzgebung und Rechtspolitik
Neufassung der Regelungen zu ausländischen Rechtsanwälten
Mit Wirkung vom 1.August 2002 wurde der Anwendungsbereich des § 206 BRAO durch eine Rechtsverordnung erweitert (BGBl. 2002 I, S. 2886). Diese Vorschrift der BRAO behandelt die Niederlassungsfreiheit ausländischer Anwälte in Deutschland im Rahmen der GATS-Garantien. Das Bundesjustizministerium erkennt durch Rechtsverordnung ausländische Anwaltsberufe als dem deutschen Anwaltsberuf gleichwertig an; erst nach einer solchen Anerkennung können Angehörige des jeweiligen Anwaltsberufs in Deutschland niedergelassen tätig werden. Bisher anerkannt wurden Anwaltsberufe aus den USA ("Attorney-at-law""), Japan ("Bengoshi"), Neuseeland ("Barrister", "Solicitor"), Ungarn ("Ügyved"), Argentinien ("Abogado"), Brasilien ("Advogado"), Polen ("Adwokat") und der Türkei (Avukat"). Im Jahr 2002 kamen der indische "Advocate" und der polnische "Radca Prawny" hinzu. Mitglieder dieser Anwaltsberufe können Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer werden, sind aber darauf beschränkt, im internationalen Recht sowie im nationalen Recht ihres Heimatstaates zu beraten. Der Anwendungsbereich des § 206 BRAO wurde ferner dahingehend erweitert, dass Ausländer aus Nicht-EU-Staaten, die in der EU als Anwälte zugelassen sind (z.B. ein Südafrikaner, der in Mitglied des ?Bar of England And Wales? ist), sich in Deutschland niederlassen können (als Nicht-EU-Ausländer unterliegen jedoch auch sie der Beschränkung auf eine Beratung im internationalen bzw. im nationalen Recht ihres Heimatstaats). Die Richtlinie 98/5/EU macht die Gewährung von Freizügigkeitsrechten von dem doppelten Erfordernis der Innehabung einer EU-Staatsbürgerschaft und eines EU-Anwaltstitels abhängig. Inhabern eines EU-Anwaltstitels, die über keine EU-Staatsbürgerschaft verfügen, war in Deutschland bislang aber deshalb nicht nur eine Niederlassung nach Maßgabe der Richtlinie 98/5/EG versagt. Auch eine ?GATS?-Niederlassung nach § 206 BRAO war unmöglich, weil das Bundesjustizministerium die europarechtlich verbürgte Gleichwertigkeit der EU-Anwaltsberufe bislang für den Anwendungsbereich des § 206 BRAO nicht noch einmal pro forma per Rechtsverordnung festgestellt hatte. Diese Lücke ist nunmehr mit Wirkung vom 1.August 2002 (BGBl. 2002 I, S. 2886) geschlossen worden.
Aufgabe der lokalisierten Postulationsfähigkeit vor den Oberlandesgerichten
Nach der im Jahr 2000 erfolgten Abschaffung der traditionellen Beschränkung des Rechtsanwalts, nur vor dem Landgericht auftreten zu dürfen, bei dem er zugelassen war, wurde das traditionelle Prinzip der lokalisierten Postulationsfähigkeit mit Wirkung zum 1.August 2002 auch vor den Oberlandesgerichten aufgegeben: Bei einem der 27 bundesdeutschen Oberlandesgerichte zugelassene Anwälte sind seitdem nicht mehr auf das Auftreten vor dem OLG der Zulassung beschränkt, sondern sind vor allen Oberlandesgerichten postulationsfähig. Diese Gesetzesänderung wurde herbeigeführt durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2000, welche die Beschränkungen einer gleichzeitigen Zulassung vor einem Landgericht und einem OLG in § 25 BRAO (sog. ?Verbot der Simultanzulassung?) für verfassungswidrig erklärte (zu Einzelheiten vgl. Bericht des Dokumentationszentrums 2000). Mit Wirkung vom 1.Juli 2002 können Rechtsanwälte mit mindestens fünf Jahren Berufserfahrung gleichzeitig vor Land- und Oberlandesgerichten zugelassen werden, wobei sie dann das Recht haben, bundesweit vor allen Gerichten aufzutreten.
Gesetz zur Reform der Juristenausbildung verabschiedet
Im April 2002 verabschiedete der Bundestag ein Gesetz zur Reform der Juristenausbildung, das am 1.Juli 2003 in kraft treten wird. Historisch bedingt, erwerben Nachwuchsjuristen nach erfolgreich abgelegtem zweiten Staatsexamen die Qualifikation für das Richteramt. Gleichzeitig erlaubt ihnen diese Befähigung auch eine Tätigkeit als Rechtsanwalt. Die Ausbildungsreform wird eine stärker am Anwaltsberuf orientierte Ausbildung in der universitären und postgraduierten Stage mit sich bringen. Die Rechtsanwaltskammern sind künftig gesetzlich verpflichtet, an der Juristen- und Referendarsausbildung aktiv teilzunehmen und ihren Beitrag aus eigenen Mitteln zu finanzieren.
Reformgesetz zur Anwaltsvergütung vertagt
Ein Gesetzentwurf, die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) durch ein moderneres Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) zu ersetzen, konnte aufgrund der Bundestagswahlen im September 2002 nicht mehr abschließend beraten werden. Der Gesetzentwurf soll in der 15. Legislaturperiode erneut in das Parlament eingebracht werden.
Weitere Fachanwaltschaft beschlossen
Nach langen Beratungen beschloss die von den Berufsangehörigen gewählte Satzungsversammlung, die nach § 59b BRAO die Berufs- und Fachanwaltsordnung der Anwaltschaft verabschiedet, die bestehenden Fachanwaltschaften nur um eine Fachanwaltschaft für Versicherungsrecht zu erweitern. Zwar schlugen Mitglieder der Satzungsversammlung die Einführung von mehr als 20 weiteren Fachanwaltschaften vor, doch führte das Fehlen eines kohärenten Konzepts zu einem Scheitern der Vorschläge mit Ausnahme des zuvor genannten. Der ?Fachanwalt für Versicherungsrecht? wird die bestehenden Fachanwaltschaften für Steuer-, Sozial-, Arbeits-, Verwaltungs-, Straf-, Familien- und Insolvenzrecht ergänzen. Nach Erbringung eines Nachweises über überdurchschnittliche theoretische Kenntnisse und praktische Erfahrungen in einem Rechtsgebiet, kann ein Rechtsanwalt bis zu zwei Fachanwaltstitel führen. Bis zum 1. Januar 2002 wurden 15.042 Fachanwaltstitel verliehen, wobei der Titel des ?Fachanwalts für Familienrecht? der häufigste war (4502), gefolgt von Arbeitsrecht (4414), Steuerrecht (3151), Strafrecht (1129), Verwaltungsrecht (966), Sozialrecht (612) und Insolvenzrecht (268).
Berufsbezeichnung "Mediator" eingeführt
Ein neuer § 7a der Berufsordnung erlaubt nun ausdrücklich den als Mediatoren tätigen Anwälten die Bezeichnung ?Mediator? zu führen, sofern sie sich einer Schulung als Mediator unterzogen haben. Da ?Mediator? in Deutschland weder ein offiziell anerkannter Titel ist noch Gegenstand einer Faschanwaltsbezeichnung sein kann, herrschte lange Zeit Unsicherheit, ob und unter welchen Voraussetzungen sich Anwälte als Mediator bezeichnen können. Da Rechtsanwälte einerseits keine inoffiziellen Titel führen dürfen, andererseits jedoch mit als Mediatoren tätigen Nicht-Juristen im Wettbewerb stehen, hat die Satzungsversammlung § 7 a mit Wirkung vom 1.Januar 2003 in die Berufsordnung eingefügt, um Anwaltmediatoren eine konkurrenzfähige Außendarstellung zu ermöglichen.
Diskussion über EuGH-Entscheidungen "Arduino" und "Wouters"
Die Entscheidungen Wouters und Arduino des EuGH (vom 19. Februar 2002, C-309/99 und C-35/99) zur Frage, unter welchen Bedingungen von Rechtsanwaltskammern im Rahmen delegierter Rechtssetzungsbefugnisse erlassenes Satzungsrecht eine ?staatliche Maßnahme? bleibt, die nicht dem EU-Wettbewerbsrecht unterfällt, haben zu einer Diskussion darüber geführt, inwiefern die Feststellungen des EuGH einen Einfluss auf das von der Satzungsversammlung erlassene Satzungsrecht haben. § 59b BRAO garantiert den Rechtsanwaltskammern eine Satzungskompetenz. Die wesentlichen Prinzipien, mit denen diese Regeln im Einklang stehen müssen, sind nicht anwaltsspezifisch in dieser Vorschrift bestimmt, sondern können nur allgemeinen, verfassungsrechtlichen Grundsätzen entnommen werden. Somit besteht eine gewisse Unklarheit darüber, ob dies eine hinreichende staatliche Vorgabe des vom EuGH verlangten Kriteriums des öffentlichen Interesses darstellt. Ebenso wird diskutiert, ob die Aufsichtsrechte des Bundesjustizministeriums nach § 191d BRAO dem vom EuGH Erfordernis einer staatlichen Letzentscheidungsbefugnis genügt.
Rechtsprechung
Bundesverfassungsgericht zur gesonderten BGH-Anwaltschaft
In einem Beschluß vom 31. Oktober 2002 (1 BvR 819/02) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das Bestehen einer kleinen Zahl (32 Mitglieder), ausschließlich beim Bundesgerichtshof zugelassener Anwälte keine Verletzung verfassungsmäßig garantierter Rechte der übrigen Berufsträger darstelle. Das Bundesverfassungsgericht befand, dass eine ausschließlich beim Bundesgerichthof postulationsfähige Anwaltschaft im Interesse des Gemeinwohls stehe, da das Auftreten vor dem Bundesgerichtshof spezielle Kenntnisse in prozessualen Fragen sowie einen unvoreingenommenen Blick auf die eingelegten Revisionen garantiere. Das Hauptargument, das gegen eine verfassungsrechtliche Tragfähigkeit dieser Beschränkung angeführt wurde, namentlich die Tatsache, dass es in keinem anderen Gerichtszweig (Arbeits-, Sozial-, Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit) eine Singularzulassung vor dem jeweiligen obersten Bundesgericht gibt, wurde vom Bundesverfassungsgericht als nicht stichhaltig zurückgewiesen, da nach seiner Auffassung die Zahl der Revisionen bei den übrigen Bundesgerichten zu klein sei, um das Bestehen einer spezialisierten Anwaltschaft analog der BGH-Anwaltschaft zu rechtfertigen.
BGH zum Werberecht der Großkanzleien
Zwei Urteile des Bundesgerichtshof (BGH) zum Werberecht der Großkanzleien sind bemerkenswert. Im November 2001 stellte der BGH (AnwZ (B) 75/00) klar, das alle Partner einer international tätigen Großkanzlei, die bei einem deutschen Gericht zugelassen sind, im Briefkopf des Kanzlei mit ihrem Vor ? und Nachnamen aufgeführt werden müssen. Die häufige Praxis, nur die mit dem konkreten Fall befassten Anwälte zu benennen und den Mandanten im Hinblick auf eine vollständige Auflistung auf das Internet bzw. an der Rezeption von Kanzleien ausliegende Listen zu verweisen, stelle einen Verstoß gegen § 10 der Berufsordnung dar. Das Argument der betroffenen Kanzleien, § 10 der Berufsordnung stelle einen unzulässigen Eingriff in die in Art. 12 des Grundgesetzes garantierte Berufsfreiheit dar und sei nicht, wie von der Verfassung gefordert, durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt, wurde vom Bundesgerichtshof (AnwZ (B) 75/00) und vom Bundesverfassungsgericht (1 BvR 736/02) zurückgewiesen. Beide befanden, dass die Auflistung aller Partner im Briefkopf, dem Mandanten die Möglichkeit gebe, die potentielle Haftung der Kanzlei sowie mögliche Interessenkonflikte zu bewerten. In einer weiteren Entscheidung vom 17. Dezember 2001 entschied der BGH (AnwZ(B) 12/01), dass Kanzleien Kürzel (wie im konkreten Fall z.B. "CMS") in ihrem Kanzleinamen verwenden können. Voraussetzung ist allerdings, dass das Kürzel nur als Zusatz zu den Namen der aktuellen oder früheren Partner geführt wird und auf eine unter diesem Kürzel eingetragene EWIV (Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung) Bezug nimmt.
© M. Kilian 2007
2001
Rechtstatsächliches und Statistisches
Zahl der Rechtsanwälte
Am 1.1.2001 waren in Deutschland 110.367 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zur Anwaltschaft zugelassen, was ein Wachstum von 6,06% im Vergleich zum Vorjahr darstellt. Der Anteil der Rechtsanwältinnen an der Anwaltschaft beträgt 25,3%, mit einer Wachstumsrate von 9,13% schließen sie aber nur langsam zu ihren männlichen Kollegen auf. Im Jahr 2000 nahmen 18.455 Studierende das Studium der Rechtswissenschaft an einer deutschen Universität auf und 10.366 Referendare schlossen ihre Ausbildung mit dem berufsqualifizierenden 2. Staatsexamen ab. Die Anzahl der verliehenen Fachanwaltstitel stieg von 11.130 auf 13.016 an und die Anzahl der ausländischen Rechtsanwälte, die Mitglied einer deutschen Anwaltskammer sind, nahm von 158 auf 183 zu. Statistisch gesehen sind die meisten von ihnen Mitglied bei der Frankfurter Anwaltskammer.
Zahl der größten Anwaltskanzleien
Die größte Sozietät Deutschlands, Clifford Chance Puender, beschäftige am 1.7.2001 409 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Unter den zehn größten Anwaltskanzleien sind sechs Sozietäten Teil einer internationalen Anwaltskanzlei (Clifford Chance, Freshfields, Linklaters, Andersen Legal, Lovells, White & Case) und vier Mitglied eines internationalen Netzwerks von Anwaltskanzleien (CMA und RSM). In strengen Auswahlverfahren wählen sie überdurchschnittlich qualifizierte Absolventen aus, deren Einstiegsgehalt, Berichten zufolge, bei US-Kanzleien bei mehr als 100.000 EUR p.a. liegt. Der Einfluss von angloamerikanischen Kanzleien auf die Elite der deutschen Anwaltskanzleien ist gravierend: während das Abwerben von Rechtsanwälten und die Zersplitterung von Großkanzleien jahrelang ignoriert wurde, dringt es nun fast wöchentlich an die Öffentlichkeit.
Gesetzgebung und Rechtspolitik
Diskussion um Einführung neuer Fachanwaltstitel
Eines der in der Fachwelt im Jahr 2001 am meistdiskutierten Themen war die Einführung von neuen Fachanwaltstiteln. Während für viele Jahre nur Fachanwaltstitel im Arbeitsrecht, Steuerrecht, Sozialrecht und Verwaltungsrecht verliehen wurden, als Äquivalent zu den Rechtsgebieten an den vier deutschen Fachgerichten, führte die Anwaltsversammlung in den späten 1990er Jahren weitere Fachanwaltstitel im Familienrecht, Strafrecht und Insolvenzrecht ein. Die Anzahl der Anträge zum Erwerb eines Fachanwaltstitels, der besondere theoretische Kenntnisse und besondere praktische Erfahrung in dem jeweiligem Spezialgebiet voraussetzt, war insbesondere im Familienrecht beachtlich, bei dem bisher die meisten Fachanwaltstitel verliehen worden sind. Nach kontroversen Diskussionen entschied die Anwaltsversammlung zum jetzigen Zeitpunkt keine neuen Fachanwaltsbezeichnungen einzuführen.
Reformentwurf zur Rechtsanwaltsvergütung
Geplant ist eine Reform über die Anwaltsvergütung, die den Fall regeln soll, dass zwischen Rechtsanwalt und Mandant keine Vergütungsvereinbarung getroffen wurde. Hierzu wurde dem Bundesministerium für Justiz ein von einem Ausschuss erstellten Änderungsvorschlag zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz übergeben, der die Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) modernisieren soll. Der vorgeschlagene Gesetzesentwurf lässt die allgemeinen Vergütungsgrundsätze unberührt, nimmt aber viele detaillierte Änderungen vor.
Rechtsprechung
Partei - und Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts
In einem bemerkenswerten Beschluss vom 9.1.2001 entschied der Bundesgerichtshof, dass eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), im Gegensatz zum herkömmlichen Verständnis, rechtsfähig sowie aktiv und passiv parteifähig ist. Im Fall der Haftung haftet die Gesellschaft für ihre eigene Verbindlichkeiten neben ihren Gesellschaftern. Da deutsche Anwaltskanzleien überwiegend als GbR organisiert sind, wird die Entscheidung voraussichtlich weitergehende Folgen für die anwaltliche Berufsausübung haben. Betroffen sind insbesondere Vertragsabschlüsse mit Mandanten zu multidisziplinären und internationalen Angelegenheiten (BGH, 29.1.2001 ? II ZR 331/00; NJW 2001, S.1056).
Anwaltliche Werbung
Zur anwaltlichen Werbung ergingen eine Reihe von interessanten Entscheidungen. Der Bundesgerichtshof stimmte einer Massen-E-Mail einer Anwaltskanzlei zu, die neben den existierenden Mandanten auch solchen Nicht-Mandanten zugeschickt wurde, die potenziellen Beratungsbedarf in einer bestimmten Rechtsmaterie angezeigt hatten (BGH, 15.3.2001 ? I ZR 337/98, NJW 2001, S.2886). Im Jahr 2001 widersprachen sich die Entscheidungen von niedrigeren Gerichten, die sich mit den Briefköpfen von Großkanzleien beschäftigten hatten. Die Berufsordnung (BORA) bestimmt, dass eine Sozietät alle Partner auf einen Briefkopf auflisten muss. Das Anwaltsgericht Hamburg entschied am 19.4.20001, dass es bei Großkanzleien mit mehreren Hundert Rechtsanwälten ausreicht, wenn der Mandant anderweitig über die Partner informiert wird z.B. durch eine Liste, die alle Partner verzeichnet und an der Rezeption der Kanzlei erhältlich ist (AnwG Hamburg, 19.04.2001?; II ZU 9/00; NJW 2001, S.2553). Im Gegensatz zu diesem Beschluss entschied das Anwaltsgerichtshof Düsseldorf, dass die Auflistung aller Partner auf dem Briefkopf unabdingbar ist, um den Mandanten über jene Partner zu informieren, die im Fall von berufswidrigen Verhalten haften (AnwG Düsseldorf, 3.11.2000 ? 2 ZU 21/00; NJW 2001, S.2555). Gegen beide Entscheidungen wurden Rechtsmittel eingelegt, sie liegen nun dem Bundesgerichtshofs zur Entscheidung vor.
Interessenkonflikt und Tätigkeitsverbot
Eine vieldiskutierte Entscheidung war der Beschluss des Bundesgerichtshofs zum Interessenkonflikt und Tätigkeitsverbot. Der Bundesgerichtshof entschied, dass ein Rechtsanwalt, der von seiner früheren Anwaltskanzlei zu einer neuen Sozietät wechselt, keine Mandate übernehmen darf, deren gegnerischen Partei Klienten der früheren Anwaltskanzlei sind, unabhängig davon, ob dem Rechtsanwalt sensible Informationen zu diesem Fällen anvertraut worden sind oder er an diesen Fällen in der neuen bzw. ehemaligen Sozietät arbeitet bzw. gearbeitet hat (BGH, 6.11.2000 ? AnwZ(B) 3/00; NJW 2001, S.1572). In einem ungewöhnlichem Schritt hat das Bundesverfassungsgericht über eine einstweilige Verfügung gegen den BGH-Beschluss entschieden, bei der es andeutete, mehr zugunsten einer liberalen Annäherung beim Problem von Interessenkonflikts und Tätigkeitsverbot entscheiden zu wollen.
Berufsausübungszertifikat des Europäischen Rechtsberaters
Nachdem am 13. Februar 2000 die Niederlassungsrichtlinie 98/5/EG durch das Gesetz über die Tätigkeit europäischer Anwälte in Deutschland (EuRAG, BGBl. I 2000, 182) in nationales Recht umgesetzt wurde, wurde im Frühjahr 2000 der erste ausländische Rechtsanwalt, Aboagdo Salvador Xavier Moliens aus Valencia, Spanien, registriert. Der Bundesgerichtshof hatte entschieden, dass die zuständige Behörde (z.B. die lokale Anwaltskammer) bei der Registrierung eines ausländischen Rechtsanwalts keine Übersetzung des fremdsprachlichen Berufsausübungszertifikats verlangen darf, wenn der Behörde bereits in der Vergangenheit ähnliche Schriftstücke vorlagen und sie mit den Inhalten vertraut ist (BGH, 6.11.2000, AnwZ(B) 76/99, BRAK-Mitt. 2001, S.86).
Gebrauch von Akronymen
Zudem wird eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Namen von Anwaltskanzleien erwartet. Bisher konnten deutsche Kanzleien nur nach dem Namen einer oder mehrerer Partner der Sozietät benannt werden. Internationale Sozietäten führten jedoch den Gebrauch von Akronymen als einzigen Kanzleinamen oder als Zusatz zu den Partnernamen ein. Das Anwaltsgericht Hamburg entschied am 15.5.2001, dass eine Anwaltskanzlei nicht das Akronym ?CMS? benutzen darf (AnwG Hamburg, 15.2.2001 ? I ZU 2/00). Ebenso lehnt das Landgericht Leipzig die Verwendung des Akronyms ?KPMG? ab (LG Leipzig, 31.1.2001 ? 06 HL O 6826/00; NJW 2001, S.1732). Beide Kanzleien haben Rechtsmittel gegen die Gerichtsbeschlüsse eingelegt, eine letzte Entscheidungen bleibt nun dem Bundesgerichtshof und dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten.
2000
Rechtstatsächliches und Statistisches
Zahl der Rechtsanwälte
Am 1.1.2000 waren in Deutschland 104.067 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte zur Anwaltschaft zugelassen, was ein Wachstum von 6,42% im Vergleich zum Vorjahr darstellt. Damit wurden zum ersten Mal mehr als 100.00 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte registriert. Seit dem Jahr 1980 ist die Anzahl der Anwaltschaft um 188% gestiegen. Etwa 6% der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte arbeitet als Syndikusanwalt. 11.130 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte haben einen Fachanwaltstitel. Ein Fachanwaltstitel wird im Arbeits-, Steuer-, Sozial-, Verwaltungs-, Familien-, Straf- und Insolvenzrecht verliehen, soweit fachspezifische Kenntnisse und Praxiserfahrung in der jeweiligen Materie nachgewiesen werden
Zahl der Fachanwaltstitel
Die Zahl der von den Rechtsanwaltskammern verliehenen Fachanwaltstitel ist zum Stichtag 1.1.2000 auf 11.080 gestiegen. Da ein Rechtsanwalt zwei Fachanwaltstitel gleichzeitig führen darf, spiegelt diese Zahl nicht die tatsächliche (geringere) Anzahl der Rechtsanwälte wider, die einen Fachanwaltstitel erworben haben. Aktuell wird ein Fachanwaltstitel in sieben Materien angeboten (im Arbeits-, Steuer-, Sozial-, Verwaltungs-, Familien-, Straf- und Insolvenzrecht). 80% der verliehenen Fachanwaltstitel entfallen auf die drei Fachanwaltsgebiete des Familien-, Steuer- und Arbeitsrechts. 3.315 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte halten einen Fachanwaltstitel im Arbeitsrecht, 2.997 im Familienrecht, 2.792 im Steuerrecht, 785 im Verwaltungsrecht, 702 im Strafrecht, 459 im Sozialrecht und 30 im Insolvenzrecht.
Ausländische Rechtsanwälte
Zum Stichtag am 1.1.2000 waren 158 ausländische Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Deutschland tätig, die ihren Beruf unter dem Titel ihres Heimatlandes ausübten und Mandanten im Rechts ihres Herkunftslandes berieten. Es wurde kein europäischer Rechtsberater registriert, der seinen Beruf nach der RL 98/5/EG ausgeübt hat. Dies mag damit zusammenhängen, dass die Richtlinie erst im Jahr 2000 umgesetzt wurde. In den Jahren 1999 und 2000 absolvierten in Deutschland insgesamt 82 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte aus den EU-Mitgliedsstaaten jene Eignungsprüfung, die noch die RL 89/48/EG vorsah.
Gesetzgebung und Rechtspolitik
Aufhebung der lokalisierten Postulationsfähigkeit
Am 1. Januar 2000 wurde die lokalisierte Postulationsfähigkeit in § 78 Zivilprozessordnung (ZPO), wonach es Rechtsanwälten zwar erlaubt war vor allen Amtsgerichten, aber nur eingeschränkt vor den Landgerichten aufzutreten, durch § 18 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) abgeschafft. Da EU-Rechtsanwälte, die ihre Dienstleistungen nach der RL 77/249/EC anbieten, von dieser Regelung ausgenommen waren und sich seit den 1990er Jahren internationale Sozietäten auf dem deutschen Rechtsmarkt etabliert hatten, wurde kritisiert, dass sich die Beschränkung des § 78 ZPO nachteilig auf die Wettbewerbsfähigkeit von kleineren nationalen Kanzleien auswirke. Seit dem 1. Januar 2000 ist nunmehr jeder deutsche Rechtsanwalt vor jedem Amts- und Landgericht postulationsfähig (Gesetz zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte, BGBl. I 1999, 2448).
Umsetzung der Niederlassungsrichtlinie
Am 13. Februar 2000 wurde die Niederlassungsrichtlinie 98/5/EG durch das Gesetz über die Tätigkeit europäischer Anwälte in Deutschland (EuRAG) in nationales Recht umgesetzt. Das EuRAG umfasst nicht nur die Umsetzung der RL 98/5/EG, sondern zudem jene Gesetze, die bereits die sog. Dienstleistungsrichtlinie 77/249/EWG (?RADG?) und Hochschuldiplomanerkennungsrichtlinie 89/48/EWG (?EigPrüfG?) in deutsches Recht umsetzten. Die Berufsausübung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten aus Staaten, die nicht der EU oder dem EWR angehören, ist nunmehr in Art. 206 Abs. 1 BRAO geregelt (Gesetz über die Tätigkeit europäischer Anwälte in Deutschland, BGBl. I 2000, 182).
Geplante Reform zum Rechtsmittelsystem
Das Jahr 2000 war überschattet von Diskussionen über eine Justizreform , die, soweit sie sich durchsetzen sollte, auch zu Änderungen in der Anwalt- und Richterschaft führen könnte. So schlägt das Justizministerium vor, durch eine ZPO-Reform das Rechtsmittelsystem zu modifizieren und einen dreistufigen Instanzenzug einzuführen. Demnach sollen Berufungs- und Beschwerdeverfahren reduziert, und Rechtsmittel, die bei den Amts- und Landgerichten eingelegt worden sind, auf die Oberlandesgerichte konzentriert werden. Dies führte auch dazu, dass die Landgerichte zu Gerichten erster Instanz umgewandelt werden würden. Die Vorschläge stießen auf erheblichen Widerstand bei den juristischen Berufsständen (Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses v. 23.12.1999).
Diskussion um Ausbildungsänderung
Zudem wurden im Jahr 2000 Änderungen im Ausbildungswesen diskutiert. Dies betraf vor allem das zwei Jahre andauernde Referendariat, dessen Absolvierung zum Richteramt befähigt und Berufszugangsvoraussetzung zum Anwaltsberuf ist: überlegt wurde, das Referendariat in den nächsten Jahren möglicherweise anwaltsspezifischer auszurichten.
Rechtsprechung
Bundesverfassungsgericht zur Verfassungswidrigkeit von § 13 BORA
In seiner Entscheidung vom 14.12.1999 sah das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Vorschrift des § 13 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) als Verstoß gegen die in Art. 12 Abs. 1 GG geregelte Berufsfreiheit an. Sie sieht vor, dass ein Rechtsanwalt im zivilrechtlichen Verfahren nur dann ein Versäumnisurteil gegen den Rechtsanwalt der Gegenseite, der bei der Verhandlung nicht erschienen ist, erwirken kann, wenn er zuvor das Versäumnisurteil der Gegenseite angekündigt hat. Für diese Regelung fehlt es nach Ansicht des BVerfG an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage in § 59b der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO). Danach hat zwar die Satzungsversammlung das Recht, durch Satzungsrecht kollegiale Verhaltenspflichten zu bestimmen, nicht aber die Handlungsspielräume der Prozessparteien einzuschränken. Andernfalls würde den Grundsätzen des in der Zivilprozessordnung (ZPO) regulierten Versäumnisverfahrens widersprochen werden, das gerade keine Ankündigung an die Gegenseite vorsieht und auf die Beschleunigung des Zivilverfahrens angelegt ist. Damit verstößt § 13 BORA auch gegen den Grundsatz des Vorrang des Gesetzes (Az. 1 BvR 1327/98).
Bundesverfassungsgericht zum Sponsoring durch Anwaltssozietät
Am 17.4.2000 erklärte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eine Entscheidung des OLG Rostock für verfassungswidrig, das einer Sozietät das Sponsoring von kulturellen Veranstaltungen untersagte. Das BVerfG führte die in Art. 12 Abs. 1 GG garantierte Berufsfreiheit an, die auch die Werbefreiheit für Rechtsanwälte umfasst, soweit die Werbung sachgemäß, nicht irreführend und nicht gegen die Grundsätze der Anwaltschaft verstößt (Az. 1 BvR 721/99).
Bundesverfassungsgericht zur Verfassungswidrigkeit der Singularzulassung
Das Bundesverfassungsgericht entschied am 13.12.2000, dass § 25 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar und daher verfassungswidrig ist. Die Berufsausübungsregelung des § 25 BRAO sieht vor, dass ein beim Oberlandesgericht zugelassener Rechtsanwalt nicht zugleich bei einem Land- und Amtsgericht zugelassen sein kann. Die Einführung dieser Singularzulassung war historisch bedingt und rührte vom einstigen Justizideal her, dass eine qualitativ hochwertigere Leistung der Rechtspflege zu erwarten sei, wenn in der Rechtsmittelinstanz ein zweiter Rechtsanwalt eingeschaltet werden würde, der die Erfolgsaussichten des Falles nochmals überprüft, als wenn jener Rechtsanwalt weiter beschäftigt werden würde, der den Fall bereits in der ersten Instanz betreute und ohnehin dieselben Argumente wie in der ersten Instanz hervorbringen würde (sog. Vier-Augen-Prinzip). Das BVerfG entschied, dass dieses Prinzip gegen die in Art. 12 Abs. 1 GG geregelte Berufsfreiheit verstößt, indem der Mandant gezwungen wird, seinen Rechtsanwalt zu wechseln, und nicht dem Umstand Rechnung getragen wird, dass Rechtsanwälte in erster Linie ihren Mandanten als Berater und Vertreter verpflichtet sind. Das Gericht ordnete an, die BRAO dementsprechend bis zum 30.6.2002 zu ändern (Az. 1 BvR 335/97).
Bundesgerichtshof zu Mandantenschutzklauseln bei Ausscheiden aus Anwaltskanzlei
Am 8.5.2000 entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass Mandantenschutzklauseln, die für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters aus einer Freiberuflersozietät vereinbart worden sind, zulässig sind, wenn sie ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot enthalten, das räumlich und gegenständlich hinreichend bestimmt ist. In dem Fall, dass eine Klausel das zeitlich tolerable Maß von zwei Jahren überschreitet, führt dies nicht zur Nichtigkeit der Abrede, sondern hat nur die zeitliche Begrenzung des Mandantenschutzes auf maximal zwei Jahre zur Folge (Az. III ZR 308/98).
Bundesverwaltungsgericht zur Zulassung zur Rechtsanwaltseignungsprüfung
In seiner Entscheidung vom 26.10.2000 stellte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) fest, dass Bewerber aus EU-Mitgliedsstaaten nur dann zur Rechtsanwaltseignungsprüfung zugelassen werden sollen, wenn sie nach § 4 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) i.V.m. § 5 des Deutschen Richtergesetzes (DRiG) durch einen in einem EU-Staaten erbrachten Qualifikationsnachweis die formalen Voraussetzungen für den unmittelbaren Zugang zum Anwaltsberuf erfüllen. Wegen des Schutzes der rechtssuchenden Bevölkerung und einer geordneten Rechtspflege stellt diese Anforderung weder einen Verstoß gegen die Berufsfreiheit und den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes noch gegen die Diskriminierungsverbote des EU-Gemeinschaftsrecht dar (Az. 6 B 69.99).
Bayrisches Oberlandesgericht zur Aktiengesellschaft für Rechtsanwälte
Das Bayrische Oberste Landesgericht (BayObLG) entschied am 27.3.2000, dass es Rechtsanwälten erlaubt ist, eine Aktiengesellschaft (AG) zu gründen. Dasselbe Gericht erachtete bereits 1994 die Gründung einer Rechtsanwalts-GmbH als zulässig. Gesellschafter einer Anwalts-AG können nur Rechtsanwälte oder Angehörige solcher Berufe werden, mit denen Rechtsanwälte eine Partnerschaft erlaubt ist. Zudem müssen die Vorsitzenden einer AG Rechtsanwälte sein. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der Bundestag aufgrund dieser Entscheidung die Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) ändern wird. Bereits 1994 folgte auf die Entscheidung des BayObLG eine Gesetzesänderung in §§ 59c ? 59o BRAO (Az. BR 331/99).
Anwaltsgericht Hamm zur äußeren Kenntlichmachung einer Anwaltskanzlei
Das Anwaltsgericht Hamm entschied am 5.10.2000, dass heutzutage die Errichtung einer Kanzlei nicht mehr die Anbringung eines Kanzleischildes erfordert, sondern dass zu ihrer Kenntlichmachung nach außen im Sinne des § 27 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) auch die Kommunikation über E-Mail und Internet genügt (Az. AR 4/97).